Sonntag, 17. Januar 2016

Erinnern wohin der Weg führt…

600 Lübeckerinnen und Lübecker setzten am vergangenen Samstag, dem 16.01.2016, ein Zeichen für Flüchtlinge und gegen faschistische Gewalt.

Anlässlich des zwanzigsten Jahrestages des bis heute ungesühnten feigen Brandanschlages auf das ehemalige Wohnheim in der Lübecker Hafenstraßen hatte ein breites Bündnis zu der Demonstration aufgerufen. Die Demo galt jedoch nicht nur der Erinnerung an die Katastrophe sondern sollte auch ein Zeichen der Solidarität mit Flüchtlingen in der gegenwärtigen Situation setzen.

Der Anschlag in der Lübecker Hafenstraße war der folgenschwerste rassistische Brandanschlag in der Geschichte der Bundesrepublik: Vor genau 20 Jahren, am 18. Januar 1996, brannte die Asylunterkunft  in der Lübecker Hafenstraße 52 komplett aus. Zehn Menschen, Geflüchtete aus dem Kongo, dem Libanon, aus Angola und Togo, starben in den Flammen. Unter den Toten waren sieben Kinder. Von den überlebenden Menschen wurden viele schwer verletzt und leiden bis heute an den Folgen.
Vier junge Männer aus der rechten Szene wurden nahe des Tatorts aufgegriffen, aber bald wieder freigelassen. Trotz dringender, bis heute ungeklärter Verdachtsmomente wie z.B. Brandspuren an ihren Haaren, wurden sie nie vor Gericht gestellt. Stattdessen legten sich Polizei und Staatsanwaltschaft auf einen Hausbewohner als Tatverdächtigen fest. Zwei aufwändig geführte Prozesse
gegen ihn endeten jedoch beide Male mit einem klaren Freispruch. So bleibt bis Heute der bittere Nachgeschmack, dass ein Opfer zum Täter gemacht werden sollte, während die mutmaßlichen faschistischen Brandstifter laufen gelassen wurden.

Nach dem Anschlag waren sich große Teile der Lübecker Bevölkerung und Politik einig: Die Überlebenden sollten ein gesichertes Bleiberecht in Deutschland erhalten, Geflüchtete sollten nicht länger in überfüllten Massenunterkünften bleiben müssen, sondern in Wohnungen als normale Nachbar leben können. Rassistischer Stimmungsmache sollte deutlich und gemeinsam entgegen getreten werden.

Nach 20 Jahren zieht das Bündnis, dem u. a. das Netzwerk Flüchtlingssolidarität, das Bündnis "Wir können sie stoppen", das Lübecker Flüchtlingsforum, Kirchen, Gewerkschaften, Attac,  MLPD, die Interventionistische Linke, die Partei die Linke, die SDAJ und die DKP angehören, ein negatives Fazit der Hoffnungen von damals:
"Heute, 20 Jahre später, erinnert manches wieder an die Situation und Stimmung der frühen neunziger Jahre. Wieder gibt es unzählige Anschläge auf Asylunterkünfte, wieder marschieren Nazis und Rassist_innen auf den Straßen, wieder erleben wir, wie tief der Rassismus in der Gesellschaft verankert ist und wieder gibt es große
Teile der Politik, die „Verständnis für Sorgen und Ängste“ zeigen und unter diesem Vorwand das Recht auf Asyl weiter einschränken wollen. Die mörderische Politik
der Abschottung Europas ist fortgeführt worden und hat – insbesondere im Mittelmeer – zehntausende Opfer gefordert, die jämmerlich ertrunken sind, weil es keine sicheren Fluchtwege für sie gibt.“ hieß es im Aufruf des Bündnisses zu der Demonstration.

Aber auch der Bogen zur aktuellen Lübecker Flüchtlingspolitik wurde geschlagen, in dem die Veranstalter die Abschiebepläne von Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) verurteilten, welcher pauschal die Zahl von 1000 möglichen Abschiebungen in Lübeck in die Welt setzte und den bankrotten Lübecker Kleinflughafen zum Drehkreuz für diese Abschiebungen etablieren wollte. Stattdessen fordert das Bündnis ein Bleiberecht für alle Schutzsuchenden und deren Unterbringung ausschließlich in kleinen, dezentralen Unterkünften.

Obwohl das Bündnis im Vorfelde mit einer größeren Teilnehmerzahl gerechnet hatte, so war doch niemand wirklich enttäuscht, da zeitgleich in Neumünster Nazis versucht hatten die latent rassistische Stimmung im Land für ihre Zwecke zu missbrauchen. Auch hier hatte ein breites antifaschistisches Bündnis zu Gegenaktionen aufgerufen, denen mehr als 400 Antifaschistinnen und Antifaschisten gefolgt waren, welche die nicht mal 80 Faschisten auf dem Neumünsteraner Kantplatz einschlossen.

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