Brainbitch, flickr.com (CC BY-NC 2.0) |
Vom 6.-9. Juli fanden die Proteste gegen den
G20-Gipfel in Hamburg statt.
Mehrere hundert Millionen Euro hat dieser
Gipfel gekostet, nahezu genauso viel wie die Hamburger Elbphilharmonie.
Und genauso viel hat er uns
Arbeiterjugendlichen gebracht: Nichts.
Während
die Staatsgäste bei Kaviar und Kuchen vor allem sich selbst feierten,
verwandelte der Bundesinnenminister, der Hamburger Innensenator sowie der
Polizei-Einsatzleiter Dudde die Hamburger Innenstadt in eine rechtsfreie Zone.
Trotz
alledem entschied sich die Polizei die gesamte Demo spontan hinten und vorne
einzukesseln, und zwar an einem Ort, an dem es keinerlei Ausweichmöglichkeiten
zur Seite gab. Die Versammlungsleitung, der Anwaltliche Notdienst sowie
Rettungskräfte baten die Polizei, die Demonstration noch weitere 100 Meter
weitergehen zu lassen, um die Gefahr für Leib und Leben der Demonstranten zu
vermindern.
Brainbitch, flickr.com (CC BY-NC) |
Grund für
das Vorgehen der Polizei war die Tatsache, dass von den rund 12.000 Teilnehmern
der Demo ca 1000 vermummt waren. Das wollte die Polizei so nicht hinnehmen. Um
die Demo fortsetzen zu können bemühten sich die Organisatoren darum, dass Leute
ihre Vermummung ablegen sollten.
Weiterhin
kamen vom Lautsprecherwagen der Demonstrantion Durchsagen, man solle sich nicht
provozieren lassen. Das verhinderte aber nicht, dass die Polizei letzten Endes
in voller Montur in die Demo stürmte. Die Szenen, die danach folgten,
erinnerten an die schrecklichen Bilder der Loveparade-Katastrophe.
Menschen
kletterten verzweifelt an den Wänden hoch, während Wasserwerfer auf sie
feuerten. Diverse unbeteiligte Journalisten wurden ebenfalls getroffen,
umgerannt und verletzt. Auf der anderen Seite der Mauer erwarteten weitere
Polizisten die flüchtenden Demonstranten, prügelten auf sie ein und trieben sie
bis an die Kante des Anlegestegs.
Diese
Eskalation war gewollt und entsprach der Polizeitaktik. Medien wie BILD, NDR,
WDR und Deutschlandfunk berichteten einstimmig, dass die Gewalt dabei von der
Polizei ausging. Vor Ort wurden auch Journalisten von der Polizei angegriffen,
teilweise wurden Journalisten sogar ihrer Akkreditierung beraubt.
Am
Freitag streikten wir mit rund 3.000 Schülerinnen und Schülern. Mit dem
Bildungsstreik sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass dieser Staat
lieber hunderte Millionen Euro für ein Großevent in Hamburg ausgibt, als
Schulen und Bildungseinrichtungen zu finanzieren.
Während
Schulen vergammeln und Lehrkräfte fehlen, gibt dieser Staat das Geld lieber für
Elbphilharmonien, Bundeswehreinsätze, Werbemaßnahmen der Bundeswehr,
Gipfeltreffen und die Aufrüstung der Polizei aus. „Lieber schwänz‘ ich als G20“
stand deshalb auf einem Schild.
Die
Demonstration verlief absolut friedlich, auch wenn immer wieder Polizeikräfte
aufmarschierten. Wir brauchen keinen Polizeischutz, um als Schülerinnen und
Schüler demonstrieren zu können. Wer dennoch Wasserwerfer bereitstellt, möchte
uns einschüchtern. Sie wollen, dass wir still und leise akzeptieren, was in
diesem Staat geschieht, dass wir alles schlucken und still hinnehmen. Das hat
nicht geklappt.
Wir waren
laut, wir waren viele und wir haben mit dieser Demonstration mehr erreicht, als
die Damen und Herren beim G20-Gipfel: Wir standen zusammen, wir haben gemeinsam
gekämpft, wir haben gemerkt, dass wir die gleichen Interessen haben und dass
wir zusammen kämpfen müssen.
Mit einem
Bildungsstreik ist es nicht vorbei. Wir müssen in unseren Schulen aktiver
werden. Wir müssen uns gegen Kopier- und Büchergelder, gegen teure Mensapreise
oder gegen vergammelte Sporthallen engagieren. Wir müssen dafür kämpfen, dass
Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Wir müssen dafür kämpfen, dass
wir nicht mehr nach Schularten vorsortiert werden.
Wir
wollen eine Bildung in unserem Interesse, wir wollen gemeinsam mit den
Lehrerinnen und Lehrern für bessere Ausstattung, gegen wirtschaftlichen
Einfluss auf die Schulen und für eine umfassende Demokratisierung der Schule
kämpfen. Das beginnt immer im Kleinen: Durch unbequeme Schülerzeitungen, durch
Mitarbeit in Schülervertretungen, die nicht nur Parties organisieren, durch
kritische Nachfragen im Unterricht oder durch Klebezettel in den
Toilettenräumen.
Klaus Friese, flickr.com (CC BY NC SA 2.0) |
In der
Nacht von Freitag auf Samstag kam es dann doch noch zu den bekannten Bildern
aus dem Hamburger Schanzenviertel. Politisch sinnbefreite Gewalt und
pseudoradikale Aktionen, die für zumindest ein paar Stunden eine Revolution
herbeiphantasieren wollen, sind Bullshit. Sie bringen nichts.
Erst
Recht, wenn es sich auch noch gegen Leute richtet, mit denen man gemeinsame
Interessen und gemeinsame Feinde teilt. Die Polizeiführung, wie auch reaktionäre
Scharfmacher in der Politik, hatten damit genau die Bilder, die sie brauchen.
Zum
einen, um die gesamten Proteste zu kriminalisieren und vom Inhalt abzulenken
und zum Anderen, um das bisherige Vorgehen der Polizei damit zu rechtfertigen.
Im Anschluss wird außerdem für mehr Sicherheit und härteres Durchgreifen geschrien.
Wie der
Konfliktforscher Simon Teune aufzeigt, liegt die Entwicklung der Situation zum
Großteil an der grundlegenden Strategie der Polizeiführung, die von Anfang an
auf Eskalation setzte.
Das lässt
sich stellenweise schon am Einsatzleiter, Hartmut Dudde, festmachen. Dudde
wurde einst vom Rechtspopulisten und Koks-Anwalt Roland Schill (Ja, so jemand
war mal Hamburgs Bürgermeister) zum Chef der Bereitschaftspolizei ernannt.
Das fügte
sich ganz gut in Schills Konzept, der seiner Zeit fleißig Demokratieabbau und
Hetze in der Verpackung von Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit betrieb.
SPD-Bürgermeister Olaf Scholz und SPD-Innensenator Grothe haben daran nichts
geändert, sie unterstützen weiterhin diesen untragbaren Einsatzleiter.
Mehrere
von Duddes Einsätzen wurden von Gerichten als rechtswidrig eingestuft. Es gab
Einsätze, da ließ Dudde die Lage so bewusst eskalieren, dass sich im Nachhinein
sogar einige seiner Kollegen aus Protest um ihre Versetzung bemühten. Wenn man
also einen solchen Hardliner, der ja scheinbar selbst in der Polizei umstritten
ist, zum Einsatzleiter bestimmt, dann stellt sich schon die Frage inwiefern
überhaupt Deeskalation jemals ein Thema war.
Dass die
österreichische Spezialeinheit „Cobra“ eingesetzt wurde, dass Sondereinheiten
der Polizei mit Sturmgewehren auf Journalisten zielten, dass die
Presseberichterstattung immer wieder stark eingeschränkt wurde, all das waren
unnötige und unverhältnismäßige Einsätze der Polizei sowie des
Innenministeriums.
Die SPD
hat damit einmal mehr bewiesen, auf wessen Seite sie steht. Nicht auf der Seite
der Demonstranten, nicht auf der Seite der Gipfelgegner, nicht auf der Seite
der hunderttausenden, die gegen diesen Gipfel waren, nicht auf der Seite der
demonstrierenden Schülerinnen und Schüler. Nicht auf der Seite der arbeitenden
und lernenden Jugend. Auch die Linksjugend Hamburg hat bewiesen, wessen Geistes
Kind sie sind. Auf einem Facebook-Post bieten sie sich als Polizeispitzel an, bieten
an, die Polizisten zu Schlafplätzen von Demonstranten zu führen.
Am
Samstag demonstrierten schließlich rund 76.000 Menschen auf der
Großdemonstration gegen den G20-Gipfel. Wir organisierten mit vielen anderen
Jugendorganisationen und Gewerkschaftsjugenden einen großen Jugendblock.
Über 65
Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. In einem Jahr sind mehr als
3800 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken. 470.000 Menschen starben allein im
Syrienkrieg. 1,4 Milliarden Menschen leben in extremer Armut. Die 62 reichsten
Menschen der Welt besitzen so viel wie die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung.
Volkswagen machte allein im Jahr 2016 einen Gewinn von 7,6 Milliarden Euro.
Krieg,
Terror, Armut, Umweltzerstörung nehmen immer mehr zu. Dies geschieht seit eh
und je unter der Verwaltung der mächtigsten Staaten der Welt, die im
Profitinteresse der bedeutendsten Unternehmen der Welt handeln. Massenmord
durch Krieg und Terror, sowie Umweltzerstörung und Armut werden nicht nur für
Rohstoffquellen und Absatzmärkte der Monopolkonzerne in Kauf genommen, sie sind
ein unvermeidbares Resultat des kapitalistischen Systems.
Der
G20-Gipfel hat gezeigt, dass die Herrschenden unsere Lage nicht verbessern,
sondern verschlechtern wollen. Man einigte sich auf den gemeinsamen Kampf gegen
Protektionismus, also gegen Handelsschranken und Zölle, die die jeweilige
Wirtschaft schützen soll.
Wozu der
Abbau solcher „Handelsschranken“ führt, zeigt sich nicht nur in Griechenland:
Dort wurde die lokale Wirtschaft durch die Austeritätspolitik Deutschlands
nahezu zerstört, der Binnenmarkt wurde vernichtet. Häfen und Reedereien wurden
an deutsche Konzerne verschleudert, die Armut greift immer weiter um sicht,
nahezu jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos, viele leben in Armut.
Trotz der
friedlichen Demonstration, von der keinerlei Provokation ausging, fuhr die
Polizei am Millerntorplatz schließlich Wasserwerfer auf und begann damit, ohne
erkennbaren Grund, in die Demonstration zu feuern.
Dies war
ein weiterer Versuch der Polizeiführung, die Lage zu eskalieren. Von den
Inhalten der Großdemonstration sollte abgelenkt werden, es sollten wieder
Bilder der Eskalation produziert werden. In dieses Bild passt auch, dass
Zivilpolizisten, die als solches nicht erkennbar waren, mit gezogenen Waffen
auf den Straßen standen.
Auch am
Abend versuchte die Polizei die Lage im Schanzenviertel zu eskalieren. Während
Menschen auf der Straße und in Kneipen feierten und es keine aufgeheizte
Stimmung gab, marschierten Polizeitrupps in voller Montur quer durch das
Viertel.
Auf
mehreren Videos kann man erkennen, dass dieselben Einheiten von A nach B
geschickt wurden und anschließend wieder von B nach A marschierten. Man wollte
wieder die Lage eskalieren lassen. Einige Betrunkene warfen Flaschen auf die
Kräfte, wurden jedoch von vielen herumstehenden Menschen zurechtgewiesen und
gebeten, diese unsinnigen Aktionen zu lassen. Schließlich war die Stimmung
wieder aufgeheizt. Die Polizei beschloss, das gesamte Schanzenviertel zu
räumen.
Ein
Reporter von n-tv wurde vor laufender Kamera zuerst zurückgedrängt und
gehindert, auf das Schulterblatt mit seinem Kamerateam zu gehen. Anschließend
wurde er ebenfalls während einer Liveschaltung von einem Polizisten auch von
dieser Position vertrieben, anscheinend sollten keine Bilder des Einsatzes
gezeigt werden. Mit vier Wasserwerfern und einem Räumfahrzeug sowie mehreren
Polizeitrupps versuchte die Polizei anschließend eine Straße zu räumen.
Es wurde
mit den Wasserwerfern wild auf am Boden sitzende Menschen geschossen, teilweise
seien wohl Reizstoffe mit in das Wasser gemischt worden. Es gibt dutzende
Szenen, wie Herumstehende von der Polizei umgerannt wurden, obwohl sie einen
absolut friedlichen Eindruck machten. Teilweise wurden diese dann von der
Polizei weggeschleift. Es gibt Szenen, in denen Greiftrupps der Polizei
Menschen aus Kneipen herausholen und abführen.
Auch wenn
die Bilder der Gewalt die Medien beherrschten, auch wenn viele auf die Taktik
der Polizei hereinfielen, auch wenn Wenige die sinnlose Zerstörung im
Schanzenviertel betrieben, auch wenn wir viele Repressalien erleben mussten-
die Proteste gegen den Gipfel waren ein voller Erfolg.
Die
Zielstellung, Entwicklungshilfe in Afrika fortan nur noch über private
Investoren laufen zu lassen, haben deutlich gemacht, um was es den Herrschenden
geht: Um mehr Profite für die Banken und Konzerne. Hunderte von Millionen Euro
wurden für den Schutz und für die Sicherheit der Kriegs- und Krisenverwalter
verschwendet.
Hunderte
von Millionen Euro, die wir gut für sanierungsbedürftige Schulen, für
kostenlose Bildung und für mehr Personal im Gesundheitswesen gebrauchen können.
Wir
konnten nicht nur zeigen, wie viele Menschen sich gegen die G20 stellen, wir
konnten auch zeigen, dass solche Gipfel in Großstädten nicht durchführbar sind.
Selbst
Theo Waigel, ehemaliger Vorsitzender der CSU und ehemaliger
Bundesfinanzminister und aktueller Ehrenvorsitzender der CSU, der sich sicher
ist, das Deutsche Reich sei „mit der Kapitulation am 8. Mai 1945 (…) nicht
untergegangen“, dieser Theo Waigel empfiehlt nun, dass künftige Gipfel lieber
auf einer Insel oder einem Flugzeugträger stattfinden sollten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen