Von der Arbeitszeitverkürzung bis zur
Partyverlängerung: An Pfingsten findet das »Festival der Jugend« der SDAJ in
Köln statt.
Ein Gespräch mit einem Veteranen und einer Organisatorin
Ein Gespräch mit einem Veteranen und einer Organisatorin
Herr Natke, Sie machen beim »Festival der
Jugend« mit. Die Alten helfen den Jungen, statt sich mit ihnen zu streiten oder
sie zu belehren?
Stefan
Natke*: Ja, wir alten Säcke. Darüber haben wir uns schon früher gerne lustig
gemacht – natürlich liebevoll. Ich helfe da heute noch mit beim Auf- und Abbau,
das ist für mich Ehrensache. Die DKP hat das Festival immer unterstützt, Leute
zur Verfügung gestellt, auch Handwerker. Ich bin zum Beispiel Zimmermann. Wir
haben alles aus eigener Hand gemacht. Wir sind schließlich eine Arbeiterpartei.
… gibt’s immer Streit?
Stefan
Natke: Nein, im Gegenteil. Wenn etwas zusammen angepackt werden muss, ist das
generationsübergreifend. Generationskonflikte in dem Sinne gibt es da nicht,
aber Diskussionen schon, logisch. Das ist für beide Seiten eine
Win-win-Situation.
Seit wann gibt es die Pfingstjugendtreffen?
Stefan
Natke: Die gab es schon in der Weimarer Republik, beim Kommunistischen
Jugendverband, bei den Falken und bei der SAP. In der Bundesrepublik gab es sie
bis zum Verbot der FDJ 1951. Als die SDAJ am 5. Mai 1968 gegründet wurde,
knüpfte sie an diese Tradition wieder an. Zuerst gab es nur die Pfingstcamps
der einzelnen Landesverbände. Das bundesweite Festival der Jugend gab es
später. Das erste fand 1978 in Dortmund statt, da hatte der Verband seinen
Hauptsitz. Mitveranstalter war der MSB Spartakus. Das war einmal die Studentenorganisation
der DKP. Wir haben die als Juniorpartner gesehen.
Beim MSB war doch auch Dieter Bohlen
organisiert. Ist der da als musikalischer Organisator in Erscheinung getreten?
Stefan
Natke: Nee, nie. Wir hatten mit den MSBlern auch weniger zu tun. Wir waren
Arbeiterjugend. Da waren wir auch stolz drauf. Wir haben den Proletkult noch
voll durchgezogen. Das Verhältnis zwischen Arbeiterjugendlichen und Schülern
war vielleicht 60:40. Wir hatten viele Betriebsgruppen.
Gibt es heute noch Arbeiterjugendliche in der
SDAJ?
Lana
Durek**: Ja, die gibt es noch. Sogar wieder mehr.
Dieses Jahr ist das Festival in Köln am Rhein.
Gerechnet wird mit 2.000 Gästen und mehr. Wie viele waren es 1978?
Stefan
Natke: In Dortmund sollte nicht gekleckert werden, sondern etwas richtig Großes
gemacht werden. Wir haben die große Westfalenhalle gemietet, da gehen 25.000
Leute rein. Außerdem hatten wir noch die Nebengebäude und Teile des
Westfalenparks. Ein riesiges Areal. Allein die Kaution könnten wir gar nicht
mehr aufbringen, das waren damals eine Million D-Mark. Aber wir waren richtig
gut organisiert, wir hatten 50.000 Mitglieder. Wir sangen damals dieses Lied:
»Es hat erst angefangen, wir werden immer mehr …« Und das hat den Herrschenden
auch Angst gemacht.
Und es gab Unterstützung aus dem
realsozialistischen Ausland. Wurde von dort nicht alles bezahlt?
Stefan
Natke: Nein, gar nicht. Das ist ein blödes Gerücht. Das Festival hat sich
selbst getragen, und wir haben sogar Plus gemacht. Klar, die eine Million
D-Mark Kaution, die war für uns auch etwas happig. Die kam aus der DDR, aber
die wollten die natürlich wiederhaben. Deshalb mussten wir das Areal auch
wieder ordentlich hinterlassen. Es wurde ein Riesenumsatz gemacht, denn es war
eine gigantische Veranstaltung mit insgesamt 180.000 Besuchern. Da sind neben
Franz Josef Degenhardt, Hannes Wader und Dieter Süverkrüp auch viele Bands
aufgetreten, die unsere kommunistischen Positionen nicht geteilt haben, für die
aber so ein großes Festival attraktiv war.
Stefan
Natke: Ja, Veronika Fischer ist da auftreten, oder die Puhdys. Das lief über
die Amiga, die Plattenfirma der DDR. Das hat ihnen auch genützt: Sie hatten
Auftritte im Westen, das war gut für ihre Reputation. Sie haben das aber nicht
kostenlos gemacht, ganz im Gegenteil. Warum auch? Musik ist auch eine Arbeit,
die soll angemessen bezahlt werden.
Lana
Durek: Das finden wir auch. Deshalb haben wir ein Crowdfunding für die Bands
veranstaltet.
Stefan
Natke: Wir haben auch aus der Tschechoslowakei von der Rudé právo, der
Parteizeitung, Unterstützung bekommen, aber kein Geld. Die haben einen
Sattelschlepper mit Pilsner Urquell geschickt. Wenn der ausgeladen wurde, dann
hat es an Helfern nie gefehlt.
Also, die Künstler wurden bezahlt, aber die
ganze Infrastruktur und die ganze Aufbauarbeit, Bühne, Toilettenwagen
Zeltplatz, Garnituren … das mussten wir alles organisieren und soviel wie
möglich mit kostenloser Arbeit abdecken.
Lana
Durek: Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Die SDAJler können da nicht hinfahren und
sagen: Ich mach da einen schönen Urlaub?
Lana
Durek: Doch, aber sie müssen auch etwas dafür tun. Das ist schon so ein
Festival, wo jeder mal mit anpacken oder auch mal einen Thekendienst übernehmen
muss. Dabei stellen wir aber immer wieder fest, gerade bei Leuten, die nicht in
der SDAJ sind, dass genau dieser Charakter, dass man sich einbringen soll und
dass so vieles selbst gemacht ist, den Reiz unseres Festivals ausmacht. Denn
für alle anderen Kulturangebote muss man bezahlen, und dann ist man doch nur
passiv und bekommt etwas vorgesetzt.
Gibt es auch Diskussionen, was man für ein
Essen anbietet? Weg von der Diktatur der Fleischesser?
Lana
Durek: Das ist jetzt nicht die primäre Diskussion im Vorbereitungsprozess. Wir
achten aber schon drauf, dass alle Ernährungsgewohnheiten abgedeckt werden. Wir
wollen die Leute ja nicht erziehen. Konsumkritik ist ja auch nicht der Kern der
Sache.
Stefan
Natke: Durch Käuferverhalten kann keine Systemfrage gelöst werden.
Gibt es Künstler, von denen die SDAJ träumt,
dass sie auf dem »Festival der Jugend« auftreten? So wie früher der WDR immer
davon geträumt hat, dass Bruce Springsteen in der »Rockpalast Nacht« spielt –
aber immer gescheitert ist.
Stefan
Natke: Den hatten wir. Das hat der WDR nicht geschafft, aber die SDAJ. Der
begreift sich nicht als politischer Künstler, ist aber ein politischer Mensch.
Der ist zum Beispiel auch gerne im Baskenland und spielt dort Konzerte.
Lana
Durek: Früher hätten wir gern die Ärzte gehabt. Die hatten uns gesagt,
politisch finden die das eigentlich sehr gut, aber es sei halt eine Geldfrage.
Überhaupt scheitert es meistens eher am Geld als an politischen Bedenken, bei
denen, die wir anfragen.
Lana
Durek: Weniger für das Konzert als für die DJs hinterher.
Das Festival geht bis in den Morgen?
Lana
Durek: Das geht von Freitag abend bis Montag mittag. Wenn man will, kann man
das Nonstop machen.
Was passiert politisch?
Lana
Durek: Wir beschäftigen uns mit Arbeitszeitverkürzung, Unterfinanzierung im
Bildungssystem, Sexismus und Rollenbilder im Alltag, Deutschland und Trump, und
unsere russische Schwesterorganisation erklärt uns: Was ist los bei der
russischen Jugend?
Man kann von Zelt zu Zelt switchen, wie früher
durch das Fernsehprogramm?
Lana
Durek: Ja.
Wieviel schafft man da so?
Lana
Durek: Das kommt auf die Kondition an. Es finden bis zu sechs Veranstaltungen
gleichzeitig statt. Aber da sind dann auch zwei Workshops dabei. Und dann ist
abends noch eine Diskussionsrunde oder eine Filmvorführung mit anschließender
Diskussion. Man kann, wenn man will, auf vier bis fünf Veranstaltungen kommen.
Oder man macht noch den Morgensport mit.
Lana Durek:
Ja.
Gab es das früher auch schon?
Stefan
Natke: Ja hallo! Wir waren ja auch in Sportverbänden aktiv. Ganz groß war immer
das Fußballturnier. Das wurde sehr ernst genommen, vor allem im Ruhrgebiet. Da
gab es im Vorfeld Ausscheidungsspiele, um sich für das Festivalturnier zu
qualifizieren. Und es gab da auch noch Fußballer, die sich zu politischen
Themen geäußert haben.
Ewald Lienen war damals legendär.
Stefan
Natke: Ja, aber auch die Allofs-Brüder, die kommen ja aus Düsseldorf. Sie haben
bei TuS Gerresheim hinter der Glashütte angefangen. Für uns haben sie Fußbälle
und T-Shirts signiert. Rüdiger Abramczik von Schalke, der war ganz nah an der
SDAJ.
Lana
Durek: Fußball gibt’s noch.
Stefan
Natke: Da habe ich mit meinen Zimmerleuten die Tore gebaut.
Lana
Durek: Und Kicker.
Seit Jahren rede ich davon, dass bei der
Rosa-Luxemburg-Konferenz ein Kickerturnier stattfinden soll.
* Stefan Natke, Jahrgang 1958, ist Zimmermann
und Berliner Spitzenkandidat der DKP für die Bundestagswahl. Er war Helfer beim
ersten Festival der Jugend 1978 in Dortmund
** Lana Durek, Jahrgang 1990, ist
Sozialarbeiterin, Mitglied des Bundesvorstands der SDAJ und in der
Festivalvorbereitungsgruppe
Von
Christof Meueler
aus „junge Welt“ vom20.05.2017
Die SDAJ Lübeck / Südost-Holstein
fährt zum Festival der Jugend!
Wer noch aus Lübeck und Umgebung
mitfahren möchte, der meldet sich unter:
sdaj-luebeck@riseup.net
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