Die Forderung nach einem bedingungslosen
Grundeinkommen vergisst die realen Machtverhältnisse
Mindestens
1.000€ im Monat auf die Hand – das ist in Zeiten von Niedriglöhnen und
Arbeitslosigkeit eine Traum.
Große Teile der Partei Die Linke, von Attac aber
auch der Grünen sprechen sich deswegen für ein bedingungsloses Grundeinkommen
(BGE) aus.
An ihrer Seite steht Götz Werner, der bekannte Milliardär von der
Drogeriekette „dm“. Auch Thomas Straubhaar macht sich für das BGE stark, er hat
den Verein „Pro Bürgergeld“ mit ins Leben gerufen. Früher war er Direktor des
Hamburger Weltwirtschaftsinstituts und Botschafter der Arbeitgeber-Initative
„Neue Soziale Marktwirtschaft“.
Arbeitslose, Arme, Milliardäre, Linke und
Neoliberale zusammen für das BGE?
Die
Motivation der herrschenden Herrschaften ist eine andere. Dem dm-Milliardär
geht es nicht um Gerechtigkeit: „Alle Steuern werden abgeschafft, bis auf die
Mehrwertsteuer, die um 50 Prozent erhöht werden soll. Aus diesen Einnahmen
zahlt der Staat den Bürgern ein Grundeinkommen, von dem sie gerade leben können
sollen. Über 1.000 Euro sollten es schon sein“. Das heißt, wir alle sollen mehr
Steuern zahlen, um uns gegenseitig ein BGE zu finanzieren. Und das über
Konsumsteuern und nicht über Einkommens- oder Vermögenssteuern, was bedeutet,
dass Geringverdiener und Arbeitslose am meisten zahlen müssen.
Durch ein
BGE nach diesem Modell können Löhne viel leichter gesenkt werden, denn der Lohn
müsste nicht mehr garantieren, dass man davon sein Leben und eventuell das
seiner Familie sichern kann. Sinkende Löhne bedeuten für die Kapitalisten
höhere Profite und weniger Sozialabgaben, welche für uns das Ende von
Versicherungen und Rente, also das Ende des „Sozialstaates“, bedeuten.
Mindestsicherung heißt für Kapitalisten Steigerung ihrer Profite.
Die Idee
vom BGE erweckt den Anschein der Möglichkeit von gerechter Finanzierung im
Kapitalismus und Geschenke von den Herrschenden. In einer Klassengesellschaft
muss aber entweder die eine oder die andere Klasse bluten. In den letzten Jahre
war jedoch nicht das Kapital – im Gegenteil: bei der Agenda 2010 wurde unser
Sozialsystem kaputt gemacht, bei der Schuldenbremse öffentliche Daseinsvorsorge
ausgelassen, bei der Senkung des Spitzensteuersatzes nicht umverteilt.
Dabei
bräuchten wir dringend eine menschenwürdige Mindestsicherung für alle, die
keine Arbeit haben und einen ordentlichen Mindestlohn, der zum Leben reicht.
Auf dem Weg dahin müssen wir uns darüber bewusst sein, wer den Reichtum in
unserer Gesellschaft erarbeitet und wer ihn sich einsteckt. Daran ändert ein
BGE aber nichts.
Das
Kapital ist in der Offensive und will so viel Profit wie möglich. Zu denken,
dass es vielleicht in der Lohnfrage einmal auf Gerechtigkeit setzen würde, ist
naiv. Stattdessen sollten wir für ein Ende des Hartz-IV-Systems, für
ausreichendes Arbeitslosengeld und für ein Recht auf Arbeit kämpfen.
Arbeit für alle organisieren
Während
die einen keine Arbeit haben, schuften sich die anderen tot durch Überstunden
und kaum Urlaub. Im Jahr 2014 lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller
Erwerbsfähigen in diesem Land bei 28,7 Stunden, trotzdem arbeiten viele über 40
Stunde die Woche schuften, während Viele keine Arbeit haben. (vgl. POSITION
#2/16).
Die
Produktivität steigt und die Konzerne fahren immer fettere Gewinne ein;
zeitgleich werden die Bedingungen am Arbeitsplatz weiter verschlechtert und
Arbeitsplätze abgebaut, sodass noch mehr Leute auf die Straße geworfen werden,
deren Kosten auf die Gesellschaft abgewälzt werden. Weil wir uns nicht als
Erwerbslose gegen Angestellte ausspielen lassen werden, müssen wir also
Forderungen aufstellen, die den Kapitalisten weh tun, z.B. eine
Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Wochen bei vollem Lohn- und
Personalausgleich. Denn Geld und Arbeit ist genug da.
Dieser
Artikel ist aus der aktuellen POSITION #2/17.
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