Samstag, 18. März 2017

Der offene Brief an Martin Schulz

Oh großer #Gottkanzler Schulz,

du wirst die SPD aus der Scheiße und der jahrelangen Versenkung ziehen, für Gerechtigkeit in unserem Land sorgen und Kanzler wirst du natürlich auch. Du bist nicht aufzuhalten und rast ungebremst selbstbewusst durch jede Talkshow. Fragen nach dem Posten als Vizekanzler erstickst du im Keim. Die Frage »wird sich dadurch erledigen, dass ich die Wahl gewinne«, haust du raus, ohne noch röter zu werden.

Für die hart arbeitenden Leute in diesem Land willst du kämpfen und Gerechtigkeit schaffen. Große Worte. Was steckt dahinter? Entmachtung der Banken und Konzerne? Oh, sorry, der war frech. So etwas macht man als guter Sozialbürokrat – mit 280.000 EUR netto im Jahr – natürlich nicht… Aber vielleicht eine Mindestlohnerhöhung, Vermögenssteuern? »Die Gewinne der Unternehmen sind deutlich stärker gewachsen als die Löhne. Das sollten die Tarifpartner bei ihren nächsten Verhandlungen berücksichtigen.« Ah, okay. Die Tarifpartner sollen das klären. Also die ArbeiterInnen sollen für höhere Löhne in den Tarifauseinandersetzungen kämpfen. Ja, krasse Neuerung. Danke dafür.

Okay, irgendwo muss der Hype um dich ja herkommen. Also, wo stehst du politisch? Du willst zum Beispiel mit Parteien koalieren, »die uns unterstützen, Frieden in der Welt herzustellen. Durch Deutschland in Europa und Europa in der Welt.« Ah, okay. Klingt für mich verdächtig nach EU-Armee unter deutscher Führung. Ja, das läuft gemeinsam mit der CDU bestimmt super. Schon in deiner Jugend hast du dich mit der Jungen Union in der Kleinstadtkneipe getroffen, viel diskutiert und getrunken. »Man vertrug sich, spätestens wenn man wieder nüchtern war.« Auch im EU-Parlament – in dem du 25 Jahre als Mitglied und 5 als Präsident gesessen hast – bist du durchs Kuscheln mit den Konservativen aufgefallen. Den Steuerwettbewerb der Konzerne hast du immer voll unterstützt und so für Dumpinglöhne gesorgt. Du warst lange ein Verfechter von TTIP und bis zum Schluss von CETA. Der konservative EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker drohte sogar mit seinem Rücktritt, als er hörte, dass sein bester Freund Schulz aus dem EU-Parlament zurückgeholt werden soll.

Aber die Leute lieben dich trotzdem. Du schaffst es, die Herzen der Menschen im Sturm zu erobern. Dass du rein rational keine andere Politik als Merkel machen wirst, sagst du sogar selbst. »Wenn Frau Merkel als geschäftsführende Vorsitzende einer stark sozialdemokratisch geprägten Bundesregierung sozialdemokratische Politik macht, ist das doch schön.« Auch Sigmar Gabriel ist seit Jahren ein guter Freund und soll auch unter dir keinen geringeren Posten als den des Außenministers erhalten. Also eigentlich soll alles beim Alten bleiben. Im »ARD-DeutschlandTrend extra« halten dich 69% für sympathisch und 68% für kompetent und das obwohl genauso viele nicht wissen, für was für eine Politik du stehst (65%) und unzufrieden mit der Politik der EU sind (62%), die du ja maßgeblich mitbestimmt hast.

Tja, wir leben halt in postfaktischen Zeiten. Wahlprogramme interessieren nicht, sondern wer am nettesten lächeln und die Leute überzeugen kann und darin bist du wirklich großartig. Das weißt du auch selbst und vergleichst dich gern mal mit Obama oder Karl dem Großen. Ja, du bist unser Gottkanzler und wirst die Große Koalition und die ganzen alten etablierten Politiker und Arbeiterfeinde aus der jetzigen Bundesregierung in die neue retten, ohne zu bremsen.

Dieser Artikel ist aus der aktuellen POSITION, dem Magazin der SDAJ.
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