Alternativlosigkeit, soziale Spaltung und
Kriegsideologie sind nicht zufällig vorherrschend in der öffentlichen Meinung
Vor zwei
Jahren wurde der Begriff „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres gekürt. Mehr und
mehr Menschen verlieren ihr Vertrauen in die Nachrichtenmeldungen, es wird
sogar von einer Medienkrise gesprochen. Wie stark beeinflussen die Medien
unsere Meinung, was ist dran an der Gleichmacherei?
Ziemlich
viel, wie es scheint. Denn in Deutschland haben die zehn großen Medienkonzerne
mehr als den halben Medienmarkt in ihrer Hand. Bei den Boulevardblätter hat der
Axel-Springer-Konzern, der auch die BILD-Zeitung herausgibt, 80 Prozent in der
Hand. Das Privatfernsehen ist unter zwei Medienmultis aufgeteilt, die zwei
Drittel aller ZuschauerInnen erreichen. Und natürlich vermitteln diese in ihren
Zeitungen, Magazinen und TV-Sendern eine gewisse Meinung.
Neutrale oder plurale Medienlandschaft?
Doch auch
die BILD-Zeitung hat in der Eurokrise schon über „gierige Manager“ berichtet.
Aber für ausgewogene Berichterstattung spricht das nicht. Schließlich hetzt sie
auch gegen „Sozialschmarotzer“, zu denen sie keine Manager sondern
„Hartz-IV-Betrüger“ zählt. Der Sozialwissenschaftler Werner Seppmann sieht hier
eine Linie, die sich durch den Medienkomplex zieht: „Orientiert sich
Entertainment an den Prinzipien der Kurzweiligkeit, so ist die Nachricht dem
Sensationellen verpflichtet; ihr gemeinsamer Nenner ist Zerstreuung und
Ablenkung“. Über die Hintergründe von sozialer Armut, wie dem
Hartz-IV-Zwangssystem, über die Gründe für Arbeitslosigkeit und mangelnden
Sozialstaat wird nichts geschrieben.
Stattdessen
kann man sich im Privatfernsehen angucken, wie sie angeblich sein soll, die
Welt der „Hartzer“. Die im Drehbuch vorgeschriebene Welt der Reality-Dokus
lässt uns soziales Elend konsumieren und als „normal“ erscheinen. Vor allem
aber lenkt es von den Hintergründen sozialer Not und Perspektivlosigkeit ab.
Zum Glück
gibt es noch das freie Internet. Da könne man sich selber aussuchen, was man
ließt und wer einem die Nachrichten serviert. Als ob das so einfach wäre:
Schließlich ist schon in der realen Welt die Informationsflut unüberschaubar
groß. Doch in der im Internet astronomisch höheren Menge an Wahrheiten wird
selektiert. Bestimmend sind dabei auch im digitalen Netz die Monopole: Google
und Facebook beispielsweise bestimmen, welche Nachricht mir zuerst ins Auge
springt.
So oder
so ist die Auswahl dessen, was mir wichtig erscheint, durch Marktmechanismen
bestimmt: 80% bis 90% der Jugendlichen in Deutschland halten Fleiß, Ehrgeiz und
Unabhängigkeit von anderen für „eigenverantwortliches Leben und Handeln“ für
relevant. Lasse ich mich von diesen Werten leiten, kann ich die Realität nur in
Ausschnitten wahrnehmen. So, dass ich befähigt werde erfolgreich zu sein, um
den kapitalistischen Alltag zu überstehen. Jedoch nützt mir noch so viel
Leistungsstreben nichts, wenn die Realität an der Tür klopft. Da kann mir die
sozialpornographische RTL-Unterhaltung die Geschichte von den faulen
Arbeitslosen erzählen, die in einer Welt leben würden, in der ja jeder Arbeit
finden würde, der nur arbeiten will. An den echten Erlebnissen, die man selber
oder Freunde und Familie im Jobcenter sammeln kann, ändert das wenig.
Doch
vielleicht sind die eigenen Erlebnisse ja nur Ausnahmen? Die sich immer
wiederholende Darstellung des Alltags und seiner Herausforderungen setzen
darauf, dass die Ungleichheit natürlich ist. Denn die Momentaufnahme steht
scheinbar über allem. Weder die Situation noch die Hintergründe scheinen
durchschaubar, geschweige denn veränderbar. Hier erfüllt das herrschende Denken
einen ganz offensichtlichen Zweck für die Herrschenden: Wir werden belogen, auf
vielfältigste Weise.
Die herrschenden Gedanken sind immer die
Gedanken der Herrschenden
Besondere
Wirkung entfaltet die Meinungsdominanz als ideologische Komponente der
Offensive des Kapitals. Seitdem vor knapp 25 Jahren mit dem Ende des
Sozialismus in Europa das „Ende der Geschichte“ eingeläutet wurde, wird vor
allem die Anti-Kriegs-Haltung massiv angegriffen. Das geht bis in die
Gewerkschaften: Selbst von manchen DGB-Vertretern wird ein Zusammenhang
zwischen Kritik an der US-amerikanischen und im Nahen Osten an der israelischen
Kriegspolitik mit antisemitischen Einstellungen konstruiert. Und die Spitze des
DGBs hat sogar schon einen „Workshop zu Friedens- und Sicherheitspolitik“
zusammen mit der Bundeswehr durchgeführt. Auch in der Linkspartei sind
antideutsche Denkmuster und die Anerkennung der deutschen Armee – als
potentiell friedenssichernd – keine Seltenheit mehr. Dabei ist der
imperialistische Krieg und das damit einhergehende Elend das krasseste
Beispiel, wie Widersprüche verursacht werden, damit sie von den Herrschenden
wieder ausgenutzt werden, um die Arbeiterklasse in den nächsten Krieg zu
zerren.
Dass es
keinen „gerechten“ imperialistischen Krieg geben kann, ist der Grund warum sich
die jeweiligen Feldherren immer gezwungen sehen zu lügen, um den Krieg
herbeizuführen. Schon Hitler z.B. hat in falschen Uniformen den Überfall auf
einen Radiosender inszenieren lassen, um dann „zurück“ zu schießen. Der erste
Angriffskrieg an dem Deutschland nach 1945 beteiligt war, wurde mit der
Verhinderung eines angeblichen neuen „Holocaust“ (!) auf dem Balkan begründet.
Und als die USA den letzten Irak-Krieg vor dem UN-Sicherheitsrat begründeten
stellte sich ihre Behauptung, der Irak besäße Massenvernichtungswaffen, schnell
als plumpe Lüge heraus. Für einen kurzen Moment scheint der damalige
US-Außenminister beim Lügen ein schlechtes Gewissen gehabt zu haben,
schließlich wurde Picassos Bild „Guernica“ im UN-Hauptquartier für die
Lügen-Präsentation mit dem Blauen UN-Logo verhüllt.
Aber das
Gewissen der jeweiligen Herrschenden ist nicht entscheidend, sondern die Logik,
nach der die Herrschenden als Klasse ihre Handlungen ausrichten. Und bevor die
Leute anfangen, diese Logik zu hinterfragen, sind Politik und Monopolmedien
sofort wieder dabei unliebsame Staatschefs zu dämonisieren. In diesen Fällen
heißen Regierungschefs lieber „Machthaber“ oder „Diktator“. Oder Kriege werden
als globale Polizeieinsätze oder humanitäre Interventionen verniedlicht. In
diesem Fall sei es „unsere“ Verantwortung „einzugreifen“. Schon der alte
Bismarck frage seine Mitarbeiter auf der Suche nach einer Rechtfertigung für
seine Kolonialbestrebungen: „Kann man nicht schaurige Details über
Menschenquälerei auftreiben?“. Wenn diese Sprachregelung in den zahlreichen
Netzwerken von Politikern und Journalisten übernommen wird, dominiert sie auch
die Schlagzeilen.
Was tun? Kämpfen!
Doch man
darf sich nicht einlullen lassen von Alternativlosigkeit und Ideologiefreiheit.
Sich dem nicht hinzugeben, erfordert eigenständiges Denken und Kritikfähigkeit.
Statt sich der falschen Realität des Internets hinzugeben, die doch neben dem
verbindendem in der Cloud hauptsächlich isoliert im Real-Life, braucht es eine
Gegenöffentlichkeit. Wenn wir die real-existierenden, täglich sichtbaren
Widersprüche thematisieren, können wir anfangen die Gleichmacherei der Gedanken
zu brechen. Das beginnt im Konkreten: Wo immer die Logik und Ungerechtigkeit
des Profitsystems oder des Krieges erfahrbar wird, sollte man sich nicht
ablenken lassen sondern die Diskussion eben darum führen. „Wo immer“, ist ganz
konkret dort, wo wir leben und arbeiten oder zur Schule gehen.
Das
Diskutieren kann gut dabei helfen, die Welt zu erkennen. Und eben dieses
Erkennen ist ganz schön hilfreich, schließlich lässt sich die Welt dann auch
verändern. Denn zur Kriegspolitik und zur sozialen Ungerechtigkeit gibt es auch
Alternativen, die diesen Namen verdienen. Wenn sich AfD und Pegida als
Gegenspieler der „Lügenpresse“ aufspielen, muss man sich mit Blick auf ihre
Forderungen klar machen, dass auch sie sich im Rahmen der herrschenden Ideen
und Interessen bewegen. Sie wollen spalten in Deutsche und Ausländer und die
Sozialsysteme zerschlagen.
Wenn wir
uns jedoch außerhalb dessen bewegen und den Blick von unserem Interesse heraus
richten, bekommen wir einen Blick auf’s Ganze. Wir müssen aufzeigen, wo soziale
Spaltung und Krieg herkommen und wer daran verdient. Dann lassen sich die
Kriegstreiber auch überall dort benennen, wo sie sitzen: Im Militär, in der
Rüstungsproduktion und in der Politik ebenso wie in zahlreichen Stiftungen,
Think-Tanks und Redaktionen der Leitmedien – es sind eben die Herrschenden als
Klasse und ihre Handlanger. Je deutlicher wir diesen Zusammenhang für unsere
KollegInnen und Freunde in Schule, Uni und Betrieb deutlich machen, desto
offensichtlicher prallt die Kriegspropaganda auf die Realität. Vielleicht
ändern sich die Zustimmungszahlen zum Syrieneinsatz doch noch.
Der Artikel ist aus der POSITION #3-16.
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