Antifaschismus darf nicht die Sache einer Szene
bleiben. Um wirksam zu werden, muss der Kampf gegen rechts breitere Massen
ansprechen. Gelingen kann das, wenn man für die Interessen der Arbeitenden
streitet
Pegida
auf den Straßen, AfD in den Talkshows, brennende Flüchtlingsheime und
Badeverbot für Ausländer. Droht uns heute in Deutschland der Faschismus? Das
Lebensinteresse der großen Mehrheit in dieser Gesellschaft spricht dagegen. Wer
lernt, arbeitet oder studiert, hat zumeist kein Interesse an einer
Terrorherrschaft, dessen Opfer man selber werden würde, genauso wenig haben das
Erwerbslose. Doch sogar denen die nicht arbeiten müssen, weil sie ausreichend
Kapital besitzen, kann nicht einfach unterstellt werden, nach dem Faschismus zu
streben. Bislang konnte sich das Kapital in der Bundesrepublik noch stets auf
die parlamentarische Demokratie verlassen. Sie integriert die Menschen nach wie
vor relativ erfolgreich in das bestehende System und sorgt damit für die
Stabilität der Verhältnisse.
1.
Relevante Teile des Monopolkapitals – also die markt- und
produktionsbeherrschenden Banken und Konzerne in Industrie, Handel und der
Finanzwirtschaft – sehen die Durchsetzung ihrer aktuellen oder anstehenden
Interessen nicht mehr innerhalb einer parlamentarischen Republik gewährleistet.
Und 2.
Die antifaschistischen Kräfte sind nicht stark genug, das Monopolkapital vom
Übergang zum Faschismus abzuhalten. Das kann wiederum mehrere Gründe haben.
Etwa den, dass es keine Bereitschaft zu einheitlichem Handeln gibt.
Und 3.
Die zum Faschismus drängenden Teile des Monopolkapitals haben hinter sich eine
starke Massenorganisation geschart und/oder eine breite Basis im staatlichen
Repressions- und Militärapparat, die zur Errichtung der Diktatur bereit ist.
Der
Faschismus ist eine Herrschaftsoption für das Kapital. Ob sie genutzt wird,
hängt – wie eben beschrieben – von verschiedenen Faktoren ab, die ineinander
greifen müssen. Einen Automatismus, der von einer Wirtschaftskrise in den
Faschismus führt, gibt es hingegen nicht. Man muss also genauer hinschauen: Wie
sieht es heute in der BRD aus?
Regelmäßige
gibt es Pegida-Aufmärsche, in manchen Städten gründen sich nach Köln
selbsternannte Bürgerwehren. Deren Beständigkeit wird sich noch zeigen. Doch
die oben genannten Bedingungen werden aktuell nicht erfüllt. Trotzdem gibt es
eine permanente Gefahr, allein durch faschistische und rechte Bewegungen. Die
reaktionärere und offenere Durchsetzung der Kapitalinteressen, also eine
Faschisierung, ist zudem ständig eine Option, allerdings bislang innerhalb der
Grenzen dieses Staates. Dabei ist es möglich und notwendig, die Entwicklung zu
beeinflussen.
Faschistische Bewegung
Es
mangelt in der Bundesrepublik nicht an Faschisten und Rechten, ebenso wenig an
entsprechenden Gruppierungen. Unter den Parteien existiert neben der NPD nun
die AfD, die sich mittlerweile als parlamentarischer Arm der Pegida-Bewegung
versteht. Außerdem sind nationalistische Gruppierungen im militanten Bereich
bis hin zum ganzen NSU-Umfeld nicht ungefährlicher geworden. Denn schließlich
gibt es nicht nur die ausländerfeindliche Rhetorik der Politik, sondern es
brennen Flüchtlingsheime und Migranten werden überfallen.
Welche
Funktion kommt nun aber der faschistischen Bewegung heute unter
bürgerlich-demokratischen Bedingungen zu? Vor allem fungiert sie als Alibi, um
eine reaktionäre Politik durchzusetzen, für deren Verwirklichung sie einen
scheinbaren Anlass schaft. Wie das in der Bundesrepublik funktioniert, wissen
wir spätestens seit Beginn der 1990er Jahre. In den bürgerlichen Medien wurde
damals eine Pogromstimmung gegen Flüchtlinge geschürt. Schließlich brannten die
ersten Asylbewerberunterkünfte, so in Hoyerswerda 1991. An den Anschlägen
beteiligten sich Faschisten. Die Politik gab sich betroffen und schickte sich
an, das umzusetzen, was sie selbst als »Volkswillen« in Gang gesetzt hatte:
1993 wurde das Grundrecht auf Asyl vom Bundestag derart stark eingeschränkt,
dass es de facto aufgehoben wurde. Vergleichbar lief auch die aktuelle
Verschärfung des letzten Rests an Asylrecht durch SPD und Union ab.
Auch in
anderen Belangen fungieren die Faschisten als Antreiber, etwa beim reaktionären
Umbau des Staates. So ist die alte NPD-Forderung nach der Wiedereinführung der
Todesstrafe zu verstehen (meistens geht es gegen »Kinderschänder«). Aber auch
die aktuelle AfD-Forderung nach gezieltem Waffengebrauch gegen Flüchtlinge an
der Grenze. Dem Umgang der Bevölkerung mit diesen Bewegungen kommt eine
Barometerfunktion zu. Ob den Rechten entschlossen entgegengetreten wird oder
nicht, lässt einschätzen, ob sich die Massen auch gegen ihr eigenes Interesse
auf die Straße bringen lassen.
Eine
andere Funktion faschistischer Gruppen ist ihr Drohpotential. Opitz spricht in
bezug auf sogenannte Wehrsportgruppen von einer terroristischen
Einschüchterung. Das trifft auch heute zu, etwa auf nationalistische
Gruppierungen im militanten Bereich. Sie nehmen eine Hilfspolizei-Funktion ein,
bauen Bürgerwehren auf (schon lange vor der Kölner Silvesternacht),
kontrollieren ganze (sogenannte »national-befreite«) Zonen. Das macht Angst.
Manche Menschen scheuen deshalb vor politischer Tätigkeit zurück. Bei anderen
entsteht der Eindruck, »mehr Sicherheit« sei tatsächlich notwendig. Das
legitimiert den Ausbau des Polizei- und Überwachungsapparats.
Mehr
Polizisten – auch die Erfahrung hat die Arbeiterklasse in diesem Land schon
machen müssen – lassen sich auch gegen Streiks einsetzen. Mehr Polizisten
wurden auch zur Stürmung des besetzten Hauses in Berlins Rigaer Straße
eingesetzt, während zum Schutz der Flüchtlingsunterkünfte keine Kapazitäten
dazusein scheinen. Faschistischer Terror kann den Herrschenden also »nützlich«
sein. Offenbar Grund genug, ihn zu päppeln: In den »Nationalsozialistischen
Untergrund« (NSU) ist der deutsche Staat über seine Geheimdienste und ihre
V-Leute-Struktur verwickelt. Wie stark die Gewalt eskaliert – ob sie auch über
die Mordserie des NSU hinausgehen wird – ist dabei eine Frage des
Kräfteverhältnisses.
Doch die
faschistische Bewegung setzt nicht nur auf den Terror. Ergänzend kommt immer
die soziale Demagogie hinzu. Statt des Klassenkampfes propagiert sie eine
Klassenneutralität (»Volksgemeinschaft«). Nicht der Chef, der Banker, ein
Vertreter der herrschenden Klasse ist demnach schuld an schlechten
Arbeitsbedingungen, Sozialabbau und Stellenverlust, sondern der Fremde, der
»Asylant«, der »Sozialschmarotzer«. Es geht um die Spaltung der Arbeiterklasse
und der nichtmonopolistischen Schichten. Damit haben die faschistischen
Bewegungen eine »Auffangfunktion«. Sie sorgen dafür, dass sich Proteste nicht
gegen die Herrschenden richten. Es wird somit verhindert, dass die Teile einer
Gesellschaft, für die sich keine Integrationsoption ergibt, sich wirklich gegen
die Zustände und damit gegen die Herrschenden wehren. Bewusstsein über die
eigene Lage und die Verhältnisse kann so nicht entstehen. Im Gegenteil:
Getroffen werden am Ende Randgruppen – und letztlich auch die Arbeiterklasse
selbst.
Trotz der
bei allen feststellbaren Funktionen treten die Gruppen jeweils wie das Fähnchen
im Wind auf. Es ist verkürzt, den Faschismus an der Macht und die faschistische
Bewegung nur aus einem radikal gewordenen Patriotismus zu erklären, nur weil
das manche Faschisten von sich selber sagen. Die dargestellten Funktionen
stehen zueinander teilweise im Widerspruch, wie die terroristische und die
integrierende. Das lässt sich daraus erklären, dass es den Faschisten um
verschiedene Teile der Bevölkerung geht: perspektivlose Jugendliche und
enttäuschte Mittelschichtler etwa.
»Quer durch Klassen und Schichten«
Das
Treiben der Faschisten müssen wir unterbinden. Gelingen kann das aber nur, wenn
sich möglichst viele Menschen am Kampf gegen die Rechten beteiligen. Darauf
muss eine antifaschistische Strategie abzielen. Der Faschismus vertritt ein
Klasseninteresse, nämlich das der aggressivsten Teile des Monopolkapitals.
Entschlossener Antifaschismus muss sich also gegen dieses Interesse stellen.
Das bedeutet, nicht nur einzelne Personen – seien das auch die bekanntesten
Köpfe des Faschismus – zu bekämpfen. Außerdem bedeutet es, dass es neben der
Arbeiterklasse noch weitere gesellschaftliche Gruppen gibt, die sich in
Gegnerschaft zu diesen Interessen sehen. Eben darum können wir uns unsere
Partner nicht bequem aussuchen, sondern müssen die Klassenauseinandersetzung
darauf zuspitzen, dem Faschismus eine Massenbasis unmöglich zu machen.
Darum
schrieb der Historiker und Antifaschist Gossweiler ausführlicher über den
Charakter dieses Kampfes. Der müsse »quer durch Klassen und Schichten« gehen.
»Verschiedenartigste politische Richtungen« müssten durch das gemeinsame Ziel
eingebunden werden. Gossweiler knüpft dabei an die Erkenntnisse der
Kommunistischen Internationale an. Die hatte spätestens 1935 auf ihrem VII.
Weltkongress Lehren für ihre Bündnispolitik gezogen.
Das
antifaschistische Bündnis ist ein Zusammenwirken verschiedenster Kräfte, das es
aktiv zu organisieren gilt. »Die Massen muss man so nehmen, wie sie sind, und
nicht so, wie wir sie uns wünschen. Ihre Zweifel und Schwankungen werden sie
einzig und allein im Laufe des Kampfes überwinden.« So Georgi Dimitroff, der
das Hauptreferat auf dem Kongress hielt. Auch für heute sind diese
Orientierungen hilfreich. Denn darin steckt eine Absage, Antifa ausschließlich
als eine jugendliche, subkulturelle Szene zu verstehen. Auch eine parteipolitische
Isolation ist nicht drin – im Gegenteil: »Zusammen gegen den gemeinsamen
Gegner« muss das Motto sein.
Zur Zeit
wird viel über die Szene- und Feuerwehrpolitik der heutigen antifaschistischen
Gruppen gesprochen, dabei wird auch viel Kritik geäußert. Wenn wir aber davon
weg wollen, dann gibt es nur eines: sich ein Verständnis erarbeiten vom
Monopolkapital und den antimonopolistischen Teilen der Gesellschaft. Dazu
gehört sicher auch der ein oder andere Spießer. Es gilt, alle zusammenzuführen,
die objektiv im Widerspruch zur Klassenbasis des Faschismus stehen.
Nicht
selten folgt an dieser Stelle der Einwand, damit würde man sich um jeden Preis
an die bürgerlichen Politiker »ranzuwerfen«. Richtig ist zwar, dass Anbiederung
an solche Kräfte nicht Ziel sein kann. An einer Zusammenarbeit mit der
Sozialdemokratie kommt man aber zunächst nicht vorbei. Ja, die SPD ist eine
tragende Stütze des Kapitalismus, die Liste ihrer arbeiterfeindlichen
Beschlüsse würde einige Bände füllen. Trotzdem folgen ihr noch immer viele
Menschen, die zu den nichtmonopolistischen Schichten gehören. Auf sie nicht
zuzugehen wäre falsch. Übrigens genauso falsch wie die Vorstellung, die SPD
würde sich schon von allein »entlarven«. Die Politik der SPD entsteht ja nicht
aus böser Absicht. Sie ist das Produkt des Imperialismus – dessen Auswirkungen
bis in die Arbeiterklasse reichen. Solange er bestehen bleibt, wird man sich in
der einen oder anderen Form auch mit der Sozialdemokratie herumzuschlagen
haben. Wie man das tut – nämlich idealerweise aufklärend, immer auf die
Interessen der Arbeiter insistierend – ist eine andere Frage.
Andererseits
gibt es Bündnisse, die wir für fraglich halten. In München arbeiten einige
Jugendorganisationen in Fragen der Flüchtlingshilfe mit der Jungen Union (JU)
zusammen. Ziel dieses Bündnisses ist es, »die Lebensbedingungen für Geflüchtete
zu verbessern«. Doch die JU in München fordert auf ihrer Homepage mehr
Abschiebungen und Obergrenzen für Schutzsuchende. Das besagte Bündnis ist im
Zuge der Freiwilligenhilfe am Münchner Hauptbahnhof gewachsen. Diese wurde von
der regierenden CSU nicht staatlich organisiert. Und nun darf die Junge Union
in einem Flüchtlingsbündnis mitarbeiten, ohne dass sie die oben genannten
Positionen aufgibt. Den Konservativen dürfte das als Feigenblatt dienen, der
Sache der Geflüchteten ist es wohl kaum dienlich.
Und wenn
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) mittlerweile der Meinung
ist, dass »wir zur Flüchtlingsrettung im Mittelmeer jetzt auch geeignete
Bundeswehr-Schiffe einsetzen« sollten, dürfte das eher dem Militarismus als dem
Schutz für Geflüchtete das Wort reden. Gesagt hat er das im vergangenen Juni
gegenüber dem Internetportal der Rheinischen Post. Einen Winterabschiebestopp
soll es im von ihm regierten Thüringen überdies nicht mehr geben. Auch andere
Linke-Politiker spielen eine ungute Rolle. Oskar Lafontaine fordert etwa
Obergrenzen für Asylsuchende; Sahra Wagenknecht (beide Die Linke) meint, wer
»Gastrecht« missbrauche, habe es verwirkt. Gerade die beiden letztgenannten
betreiben mit ihren Aussagen, ob gewollt oder ungewollt, eine Anbiederung an
bürgerliche Positionen. Vermutlich in der – falschen – Hoffnung auf ein
Bündnis, mindestens aber, um in der Wählergunst aufzusteigen.
Den
Rechten graben sie damit nicht das Wasser ab, die AfD förden sie sogar noch.
Wir müssen uns statt dessen weiterhin der Interessenfrage und der
Herausforderung stellen, einen interessengeleiteten Antifaschismus zu
praktizieren. Das wäre einer, der sich von den Interessen der Lohnabhängigen,
der Schüler, Azubis und Studenten, der Erwerbslosen, Kranken und Rentner leiten
läßt. Den muss man auch gegen Widerstände durchhalten.
Aber
manche bedauern es ja schon, wenn man zusammen mit Bürgerlichen auf der Straße
steht, um Angriffe auf ein Flüchtlingsheim zu verhindern. Marcus Staiger etwa,
wie er vor einiger Zeit auf diesen Seiten ausführte (siehe jW vom 11. Juli
2015). Wir sehen das anders. Natürlich setzen wir in der Mobilisierung zuerst
auf Arbeiterjugendliche. Die wollen wir für ihre Interessen und aus
Klassensolidarität auf die Straße bringen. Wir bevorzugen auch gewisse
Aktionsformen (etwa Massenblockaden), lehnen gewisse Ansichten ab (die
unsägliche »Extremismustheorie«). Dass die Anwesenheit der verlogenen Vorstände
der bürgerlichen Parteien dann heuchlerisch ist, das zweifeln wir nicht an.
Doch wer es ehrlich meint, dem sollte man nicht den Rücken kehren. Auch dann
nicht, wenn er nicht bei jeder Aktion mitgeht. Hier beginnt das Bündnis, von
dem wir oben sprachen, hier beginnt im Zweifel auch klassenorientierte Politik.
Interessengeleiteter Antifaschismus
Bislang gibt
es hingegen oft seitenlange Belehrungen. In den Worten ist man dabei ziemlich
radikal – in den Betrieben und Schulen aber leider nicht präsent. An der
Interessenfrage setzt das meist nicht an. Bedient wird statt dessen, worüber
man jetzt schimpft: eine gewisse Szene. Dazu passt auch, dass manche den
Faschismus als »deutschen Mob« verstehen – und dabei die Arbeiterklasse im
Hinterkopf haben. Da trifft sich dann die neoliberale Ideologie sogenannter
Antideutscher (»Nationalismus als deutsches Wesen«) mit der bürgerlichen
Vorstellung des »dummen Neonazis«. Letztere trifft man nicht selten in den
klassischen »Bunt statt Braun«-Bündnissen an. Aber es muss ja nicht so laufen.
Es gilt hingegen Forderungen aufzustellen, die für alle Lohnabhängigen
nachvollziehbar sind, weil sie an realen Bedürfnissen anknüpfen. Die
Herausforderung ist es, dass diese Forderungen weder von in das System
integrierender Politik vereinnahmt, noch von sozialdemagogischen Neonazis
genutzt werden kann.
Wie stark
solidarischer Zusammenhalt sein kann, müssen wir durch praktisches Erleben
erfahrbar machen – durch gemeinsame Kämpfe. Dabei zeigen wir sowohl, dass
Veränderungen erstreitbar sind, als auch, dass es Grenzen dieser
Veränderbarkeit innerhalb der kapitalistischen Logik gibt. Ein konsequenter
Antifaschismus wird denn auch konsequente Antifaschisten hervorbringen und auch
gesellschaftliche Veränderungen in den Blick nehmen. Wie steht es denn mit
einer Mindestvergütung von 1.200 Euro netto für Azubis? Und was ist mit
Selektion und Leistungsdruck im Schulwesen? Der Antifaschismus, für den wir
stehen, umfasst auch solche Fragen. Denn er zeigt immer wieder: Die Faschisten
wollen das nicht, sie wollen nichts von dem, was dir nützen würde. Und was sie
heute an Verschlechterungen für Migranten oder Asylsuchende fordern, das soll
morgen auch für dich und mich gelten. Wir brauchen deswegen Solidarität
aufgrund unserer gemeinsamen ureigensten Lebensinteressen. Genau diese
Erkenntnis wird dabei laufend durch die Konkurrenz im Kapitalismus untergraben.
Denn die
ganze rassistische Ideologie wird den Arbeitern ja nicht einfach
eingetrichtert, so als würden eine handvoll schlimmer Propagandisten reichen,
um Rassisten heranzuziehen. Vielmehr drängt sie sich den Beschäftigten jeden
Tag auf: Im Betrieb und auf der Arbeitssuche herrschen Konkurrenz und
Ausdifferenzierung zwischen den Arbeitern. Erst das begünstigt den Rassismus.
Hier sei
der ver.di-Aktionstag für mehr Krankenhauspersonal vor ein paar Monaten als
Beispiel genannt. An diesem Tag standen Kolleginnen und Kollegen mit und ohne
Migrationshintergrund solidarisch für mehr Stellen und damit für bessere
Arbeitsbedingungen ein. In Essen versuchte sich das Klinikmanagement
anzubiedern und beteiligte sich am Aktionstag. Es dankte ver.di für die Aktion.
Dabei erwähnte es, dass das Einstellen von Menschen aus Spanien nicht notwendig
wäre, wenn genug Geld für die deutschen Fachkräfte da wäre. Hier wird, bewusst
oder unbewusst, versucht, den Kolleginnen und Kollegen weißzumachen, dass ihre
hohen Löhne dann doch irgendwie schuld seien an der Personalmisere und sie
außerdem aufpassen sollten, dass die Ausländer ihnen nicht die Arbeitsplätze
klauen.
Und eben
hier müssen wir reingrätschen, wenn wir auch das antifaschistische Bündnis als
eine Praktik im Klassenkampf verstehen – die eben nicht davon abhängig ist, ob
»ein Neonazi« vor mir steht. Etwas überspitzt: Der Kollege mit CDU-Parteibuch
und die unpolitischste Gewerkschafterin sollen mitmachen, aber es muss darum
gehen, sie zu überzeugen, dass Faschismus nicht nur einfach unmoralisch und
dumm ist, sondern ihnen selbst schadet, ihren »Arbeitgebern« nützt und die
Leitungen ihrer Organisationen den Faschisten mitunter in die Hände spielen
beziehungsweise nicht konsequent entgegentreten. Hier unterscheidet sich unser
Vorgehen fundamental von einer »Minderheitenpolitik«, wie sie viele bürgerliche
Verbände und Kleingruppen der autonomen Antifa betreiben und mit
bürgerlich-moralischer Argumentation unterlegen.
In
Aktionen gegen Krise, Krieg und Faschismus wird sich zeigen, wer es ernst
meint. Das bedeutet für uns: Wir müssen Antikapitalismus »erfahrbar« machen.
Solidarität statt Ellenbogenmentalität, ansprechende Aktionsformen und nicht
auf die Regierung warten, sondern selber tun. So ein Antifaschismus ist
mehrheitsfähig, so muss er praktiziert werden.
Bisweilen
ist das schon passiert. Davon zeugt etwa das Münchner Jugendbündnis. In ihm
haben sich die Jugend des DGB, die ver.di- sowie die migrantische DIDF-Jugend
und die SDAJ zusammengetan. Im Vorfeld der EU-Parlamentswahlen 2014 setzte man
sich mit den Aussagen von NPD, Republikanern und AfD auseinander – und
zerpflückte die anhand ihres asozialen Gehalts in einem einfachen Text. Nicht
viel, aber ein Anfang.
In Kiel
wurde, ebenfalls vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, eine
Aufklärungsveranstaltung über die AfD organisiert. »Gegen eine Politik, die
letztlich nur der Wahrung von Wirtschaftsinteressen dient, können wir uns nur
gemeinsam wehren. Die Spaltung der Arbeiter und Arbeiterinnen und Angestellten
in deutsch, nichtdeutsch, arbeitslos etc. schwächt uns in der
Auseinandersetzung für unsere Rechte«, hieß es im Ankündigungstext.
Ausgerichtet wurde der Abend vom Kieler Jugendbündnis gegen rechts. Mit dabei:
die linke Gruppe Avanti, die DGB-Jugend, die Jugend der IG Metall sowie die der
Grünen und der Linken, die Jusos sowie die SDAJ.
Auf einer
Bochumer Flüchtlingsdemo vor kurzem waren keine Fahnen derjenigen Parteien
erlaubt, die die Asylrechtsverschärfungen mitgetragen haben. Bei den
Jugendorganisationen jedoch schon, wenn klar war, dass sie sich gegen diese
Linie stellen, es also ehrlich meinen. Vor allem aber wurde das Bündnis mit
gesellschaftlichen Gruppen gesucht. So hat sich der Mieterverein dann zur
Wohnsituation geäußert. Diese thematische Verknüpfung gab es auch in anderen
Städten. In Kassel zum Beispiel hat sich sogar ein eigenes Bündnis unter dem
Titel »für dezentrales Wohnen für Geflüchtete und sozialen Wohnungsbau«
gegründet und eine Demonstration organisiert.
Wer den
Faschismus bekämpfen will, wird zunächst schauen müssen, wem er nützt. Erst
dann lässt sich eine Strategie bestimmen, die ihn trifft. Wie sie aussehen
könnte, haben wir hier versucht darzustellen. Es geht um ein Bündnis, das
denjenigen nur wenige Bedingungen stellt, die mitmachen wollen. Vor längerer
Zeit haben wir in der Zeitschrift Theorie und Praxis drei Kriterien für dessen
Bildung zur Diskussion gestellt:
1.
Antifaschistische Bündnisarbeit muss darauf abzielen, Massenwirksamkeit zu
entfalten. Das heißt, sie muss über eine Szene bereits politisierter
Jugendlicher hinaus wirken, also zwar an moralischer Ablehnung von Rassismus
anknüpfen, aber nicht dabei stehenbleiben.
2. Sie
muss die soziale Demagogie des Faschismus widerlegen und den Klassenstandpunkt
der Faschisten entlarven.
3. Sie
muss an den unmittelbaren Klasseninteressen der Jugendlichen in Schule, Uni und
Betrieb anknüpfen, aus diesen einen antifaschistischen Standpunkt herleiten
und beides in der Praxis gemeinsamer Auseinandersetzungen für soziale und
demokratische Forderungen erfahrbar machen.
Heute
möchten wir ein viertes Kriterium ergänzen. Zusammen sind sie die Bedingungen
für eine effektive und beständige antifaschistische Bewegung, unabhängig von
der Organisation der verschiedenen Mitstreiter:
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