Plan B, DIEM25 und wir
Die
Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wegen der
„Flüchtlingskrise“ reißen nicht ab. Großbritannien droht damit, aus dem Projekt
auszusteigen. Es ist noch nicht allzu lange her, dass Frankreich unter
Bezugnahme auf die europäischen Verträge zum Kriegseinsatz in Syrien aufrief. Und
die deutsche Bundesregierung nimmt das nur zu gerne zum Anlass, auch selbst mit
einem neuen Kriegseinsatz der Bundeswehr mitzumischen, zum Leidwesen des
syrischen Volks. In dieser Situation werben zwei Initiativen für eine
Demokratisierung der Europäischen Union.
Das ist
der Name einer Erklärung von Oskar Lafontaine (Die Linke, ehemaliger deutscher
Finanzminister), Jean-Luc Mélenchon (Parti de Gauche, ehemaliger französischer
Minister für Berufsbildung), Stefano Fassina (ehemaliger italienischer
Vizefinanzminister), Gianis Varoufakis (ehemaliger griechischer Finanzminister)
sowie Zoi Konstantopoulou (Volkseinheit, bisherige Präsidentin des griechischen
Parlaments) vom 13. Juli letzten Jahres. Der „Plan B“ soll die Lehren aus dem
angeblichen „Finanzstaatsstreich“ gegen die griechische Regierung ziehen, die
„entschlossen nein“ sagen würde gegen die Austeritätspolitik. Dabei setzt sie
diese Politik aktuell selber aktiv um.
Die
Vorschläge, die die Erklärung macht, sind die „vollständige Neuverhandlung der
Europäischen Verträge“, die Euro-Gruppe rechenschaftspflichtig zu machen, die
„Mär“ zu beenden, „dass die EZB unabhängig und unpolitisch wäre“ und ein
Geldsystem einzuführen, „das [für die Europäerinnen und Europäer] arbeitet und
nicht gegen sie“.
Wie genau
das gehen soll, darüber schweigt sich die Erklärung aus. Der Plan B „ist offen
und zielt darauf, die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer anzusprechen“. So
offen, dass man kaum weiß, was darunter eigentlich zu verstehen ist oder wie er
durchzuführen sein soll. Die „Umwandlung des Euro in eine (demokratische)
Gemeinschaftswährung“ ist eine von vielen Ideen, von denen die Erklärung
spricht. Was das sein soll oder wie das gehen soll, davon spricht die Erklärung
nicht. Auch nicht davon, warum eine (gegenüber wem auch immer)
rechenschaftspflichtige Euro-Gruppe eine weniger militaristische, weniger
antisoziale oder weniger die Außengrenzen mörderisch abschottende Politik
machen sollte. Das vorgeschlagene Mittel der Wahl jedenfalls ist eine „Kampagne
des europäischen zivilen Ungehorsams“. Auch wie die aussehen soll, wird nicht
näher beschrieben.
DIEM25
Anfang
Februar diesen Jahres stellte Varoufakis dann schon das nächste Projekt vor. Es
war das Manifest von „Democracy in Europe Movement 2025“ für die
Demokratisierung Europas. Der Slogan: „Die EU muss demokratisiert werden. Oder
sie wird zerfallen!“ Darin wird die EU als „außerordentliche Leistung“
gefeiert. Sie hätte „europäische Völker, die unterschiedliche Sprachen sprechen
und unterschiedliche Kulturen pflegen, in Frieden zusammengeführt“. Heute würde
sich leider eine „Verschwörung kurzsichtiger Politiker, ökonomisch naiver
Beamter und in Finanzdingen inkompetenter „Experten […] sklavisch den
Beschlüssen der Finanz- und Industriekonzerne“ unterwerfen und so „Völker
werden gegeneinander aufgestachelt“ werden. „Nationalismus, Extremismus und
Rassismus“ würde deshalb wieder erwachen. Der Grund: „im Herzen des
Integrationsprojekts lag ein Schlangenei.“
Auch
diesem Vorschlag liegt, ebenso wie beim „Plan B“, die Illusion zugrunde, dass
die EU demokratisierbar wäre. Die EU ist in ihrem Wesen aber gerade das
Gegenteil von Demokratie, verstanden als Herrschaftsform, in der es weitgehende
Möglichkeiten zur Mitbestimmung für die Bevölkerung gibt. Das hat sie, um nur
ein Beispiel zu nennen, mit der Annahme der EU-Verträge, die zuvor in
Volksabstimmungen unter dem Label „EU-Verfassung“ gescheitert waren,
eindrücklich bewiesen. Sie bedeutet Abbau von sozialen Rechten und Standards,
die der Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten zugestanden werden mussten –
siehe z.B. die Möglichkeiten der Arbeitszeitverlängerung auf 48 Stunden pro
Woche. Dass sich das Manifest von DIEM25 auch noch auf Begriffe wie
„Extremismus“ bezieht, die erfunden wurden und genutzt werden, um konsequenten
Kampf gegen Rechtsentwicklung und Faschismus zu diffamieren, erübrigt
eigentlich jeden weiteren Kommentar.
Gegen diese EU
Die
beiden Projekte „Plan B“ und „DIEM25“ knüpfen an verschiedenen Versuchen zur
Demokratisierung der Europäischen Union an. Nicht zufällig kommen die meisten
der Initiatoren aus der „Partei der Europäischen Linken“ (ELP). Die hat es sich
zum Ziel gesetzt, ein geeintes demokratisches und soziales Europa im
rechtlichen Rahmen der EU zu verwirklichen. Doch diese Linie ist nicht
unumstritten. So hat die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), welche bis vor
kurzem noch beobachtendes Mitglied der ELP war, auf dem letzten Parteitag ihren
Austritt erklärt. Grund dafür ist die Einschätzung, dass es einer
klassenkämpferischen Politik und realer gesellschaftlicher Bewegungen bedarf,
um mit den Imperialisten und ihren Institutionen zu brechen.
Im Kern
geht es um die Frage was die EU eigentlich ist. Ist sie ein eigentlich
positives, nach Frieden und Wohlstand strebendes Integrationsmodell, das nur
leider an Verschwörungen und Schlangeneiern scheitert? Oder war sie von Anfang
an ein Projekt für die Banken und Konzerne gewesen? Eigentlich gibt es genug
Anschauungsmaterial: Von der Bankenrettung in Billionenhöhe, über die
Jugendarbeitslosigkeit in diversen Ländern, gegen die nicht ernsthaft etwas
unternommen wird, bis hin zu den Außengrenzen, die immer weiter hochgerüstet werden
und an denen tausende Menschen auf der Flucht vor den Kriegen sterben, die u.a.
die Großmächte der EU führen.
Wer da
noch glaubt, durch eine „kreative Neuinterpretation vorhandener Verträge und
Satzungen“ (DIEM25) der EU daran etwas ändern zu können, kämpft im besten Fall
gegen Windmühlen. Im schlechteren Fall lenkt man damit ab von wirklichen
Möglichkeiten den Widerstand gegen Sozial- und Demokratieabbau, gegen
Jugendarbeitslosigkeit und Kriegseinsätze zu stärken. Wie das geht, davon
lieferte die griechische Bevölkerung Anfang des Jahres ein gutes Beispiel. Mit
Streiks legte sie das Land lahm und machte so deutlich, dass sie nicht bereit
ist, die Sozialkürzungen von EU und griechischer Regierung zu akzeptieren.
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