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76.000 bei Demo gegen G-20-Gipfel. Empörung
über Gewalt der Polizei
»Sie
kutschieren Diktatoren, aber unsere Busse bleiben stehen«, so beschrieb eine
Demorednerin der Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei
(DIDF) die Lage während des G-20-Gipfels der »wichtigsten Industrie- und
Schwellenländer« in Hamburg.
Einen gemeinsamen Nenner hatten wohl alle Gruppen,
Organisationen und Einzelpersonen, die am Samstag gegen das Spitzentreffen in
der Hansestadt auf die Straße gingen: Mensch und Umwelt vor Profit.
76.000
Teilnehmer zählte das Veranstalterbündnis der Großdemonstration unter dem Motto
»Grenzenlose Solidarität statt G 20« – laut Hamburger Morgenpost könnten es
auch 100.000 gewesen sein. Selbst die Polizei sprach von mehr als 50.000
Menschen, die von den Deichtorhallen zum Millerntor gezogen seien.
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Die
Ereignisse der Nacht zuvor im Schanzenviertel hatten die Mobilisierung offenbar
nicht bremsen können. Bei Ausschreitungen waren dort sowohl Polizisten als auch
mutmaßliche Randalierer und eindeutig Unbeteiligte verletzt worden. Manche
Demoteilnehmer forderten daher am Samstag auf Schildern »friedlichen Protest«.
Einer kommentierte die Krawalle und das Echo der Politik auf Pappe: »Wenn ihr
euch über die Schanze empört, sagt nicht, Afghanistan sei sicher.« Einen
Abschiebestopp für Geflüchtete aus dem Land verlangte auch die afghanische
Frauenrechtlerin Malalai Joya auf der Bühne der Auftaktkundgebung: Das Morden
gehe seit der NATO-Intervention weiter, betonte sie. Neben Joya bekam die
92jährige Musikerin und Holocaustüberlebende Esther Bejarano besonderen
Applaus. Sie grüße alle, die »dem Unrecht und der Unvernunft des Kapitalismus
nicht tatenlos zuschauen«, sagte Bejarano. »Ich glaube an euch!«
Mehrere
Redner gingen auf die Blockadehaltung der USA in Sachen Klimaschutz ein. Die
Folgen des Freihandels, zu dem sich die Gipfelteilnehmer bekannten, wurden als
ruinös für die Wirtschaft ärmerer Länder beschrieben.
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Die
Protestbewegung habe sich nicht spalten lassen, betonte eine Mitorganisatorin
auf der Abschlusskundgebung. Der Klimaschutzblock hatte sich solidarisiert, als
die Polizei mit Greiftrupps auf hinter ihm laufende türkische Kommunisten
losgegangen war; die gesamte Demonstration war stehengeblieben, um ein Ende der
Polizeiübergriffe zu erzwingen.
Die
Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft forderte am Sonntag einen
Untersuchungsausschuss zu allen relevanten Fragen im Zusammenhang mit der
Durchführung des G-20-Treffens – von der Entscheidung, den Gipfel mitten in der
Großstadt abzuhalten, über das Einsatzkonzept der Polizei und damit verbundenen
Grundrechtseingriffen »bis hin zu den unfassbaren Gewalttaten«, erklärten die
Fraktionsvorsitzenden Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus.
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Hamburgs
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wies laut Nachrichtenagentur dpa am Sonntag
jede Kritik an der Polizei zurück: »Die haben alles richtig gemacht und einen
heldenhaften Einsatz zustande gebracht.«
Von
Claudia Wangerin
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Provozierte Eskalation
Im Hamburger Schanzenviertel organisierte sich die Polizei Bilder, die sie sonst nicht bekommen hätte
Es waren
Bilder wie aus einem Bürgerkrieg: Schwerbewaffnete Angehörige paramilitärischer
Sondereinheiten beteiligten sich mit Schnellfeuergewehren an der Erstürmung
eines Stadtviertels. Tausende Menschen wurden von der Außenwelt abgeschnitten,
weil Straßen gesperrt und Bahnverbindungen eingestellt waren. Räumpanzer und
Wasserwerfer sowie Tausende für den Straßenkampf ausgerüstete Polizisten
bezogen Stellung. Das Schanzenviertel wurde am Wochenende zum Schauplatz einer
Machtdemonstration des Polizeistaates.
Zwei
Nächte in Folge stürmten die Einsatzkräfte Straßen und Häuser in dem für sein
alternatives und multikulturelles Ambiente bekannten und beliebten Stadtteil.
Auslöser dafür war nach Darstellung der Polizei vom Freitag, dass »Störer« – in
den Medien wurde das gleichgesetzt mit »militanten Autonomen« – in dem Viertel
randaliert und Drogeriemärkte geplündert hätten. Die Rede war davon, dass auf
den Dächern Molotowcocktails und Gehwegplatten deponiert worden sein sollen, um
sie auf Polizisten zu werfen – vorgeführt wurden diese von der Polizei jedoch
bislang nicht. »Ich bin fassungslos, dass linksradikale Straftäter offenkundig
keine Hemmung haben, sehenden Auges das Leben von Polizeibeamten zu gefährden«,
wetterte trotzdem der CSU-Innenexperte Stephan Mayer. Bild schlagzeilte am
Sonnabend: »Keiner stoppt den linken Hass!«
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Es war
nicht auszuschließen, dass nach den tagelangen Übergriffen der Polizei auf die
friedlichen Protestdemonstrationen gegen den G-20-Gipfel einige Leute die
Nerven verlieren, um in ihrer Wut zu nützlichen Idioten der Staatsmacht zu
werden. Auf die teilweise offen rechtswidrigen Polizeieinsätze gegen die Camps
und gegen spontane Kundgebungen hatten die Aktivisten durchgehend besonnen
reagiert und damit das Konzept der Sicherheitskräfte durchkreuzt. Selbst die
autonome Demonstration »Welcome to Hell« am Donnerstag lieferte den Boulevardmedien
nicht die gewünschten Bilder – dafür aber Kommentare in Medien wie
Deutschlandfunk und NDR, dass die Polizei die Gewalt provoziert habe. Die
Scharfmacher brauchten jedoch die Eskalation.
Ohnehin
lassen Augenzeugenberichte das, was am Freitag und Sonnabend im Schanzenviertel
und der Umgebung geschah, in einem anderen Licht erscheinen als die Auskünfte
von Polizei und Senat.
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Am Neuen
Pferdemarkt und im »Arrivati-Park« unweit des U-Bahnhofs Feldstraße hatten sich
am Freitag abend etwa 1.000 Gegner des G-20-Gipfels versammelt. Obwohl von
ihnen keine Gewalt ausging, wurden sie von der Polizei mit Wasserwerfern und
Pfefferspray attackiert. Viele Demonstranten zogen sich daraufhin in das
Schanzenviertel zurück, vereinzelt flogen Flaschen und Böller. Während die
Scharmützel auf dem Platz weitergingen, ließ sich im Schanzenviertel über
Stunden keine Polizei blicken. Sogar als auf der Straße Schulterblatt an drei
Stellen Feuer entzündet wurden, reagierte weder die Feuerwehr noch die Polizei.
Ebenfalls frei war der Weg zu den Messehallen, dem Austragungsort des
G-20-Gipfels – trotzdem nutzte niemand diese »Chance«. Unter den mehreren tausend
Menschen, die sich im Viertel auf den Straßen aufhielten, waren linke
Aktivisten kaum zu sehen. Statt dessen allerdings Personen, die von Anwohnern
als Fußballhooligans beschrieben wurden. In der Sternstraße wurde der
Hitlergruß gezeigt, in der Bartelsstraße wurde ein Geschäft mit Antifa-T-Shirts
im Schaufenster offenbar gezielt attackiert. Nach »Linken« klingt das nicht.
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Kurz vor
Mitternacht stürmte die Polizei das Schanzenviertel. Wasserwerfer,
Räumfahrzeuge und Polizeiketten drangen in das Viertel vor. Beteiligt waren
auch Angehörige von Sondereinsatzkommandos mit Schnellfeuergewehren. Es flogen
Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper. Ein Polizeihelikopter richtete seinen
Scheinwerfer auf die Szenerie. Tränengas lag in der Luft.
In der
Roten Flora wurden in der Nacht Verletzte versorgt. Spiegel online zitierte den
Sprecher des Veranstaltungszentrums, Andreas Blechschmidt, mit der Aussage, die
»sinnbefreite Gewalt« sei Selbstzweck und falsch.
Der Tag
danach begann zunächst ruhig. Zehntausende Menschen beteiligten sich an der
Großdemonstration gegen den G-20-Gipfel von den Deichtorhallen zum Millerntor.
Trotz wiederholter Polizeiübergriffe blieb der Zug geschlossen und mündete in
ein fröhliches Volksfest.
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Zugleich
wiederholte sich jedoch das Muster vom Vortag. Gegen 19 Uhr hatte eine Beweis-
und Festnahmeeinheit der Polizei die Eingänge des Flora-Parks am Schulterblatt
abgesperrt und durchkämmt. Es wurden mehrere Menschen kontrolliert, von einigen
wurden die Personalien aufgenommen. Herumliegende Rucksäcke wurden durchsucht.
Offenbar wurden zwei Menschen festgenommen. Zwei Stunden später hatte sich die
Lage jedoch wieder beruhigt. Tausende Menschen, vor allem Touristen und
Partygänger, bevölkerten das Schulterblatt und die Seitenstraßen des Schanzenviertels.
Es herrschte eine merkwürdig angespannte, sich zugleich jedoch nach einem
typischen Wochenendvergnügen anfühlende Atmosphäre. Zu sehen waren weder
Polizei noch »Autonome«.
Am Neuen
Pferdemarkt ging die Polizei am späteren Abend dann wieder mit Wasserwerfern
gegen dort vollkommen gewaltfrei versammelte Menschen vor. Selbst die Hamburger
Morgenpost empörte sich über das Vorgehen der Polizei gegen friedlich auf der
Straße sitzende Jugendliche. Viele wurden in die Straße Schulterblatt getrieben
und saßen damit in der Falle. Denn auf der entgegensetzten Seite, an der
Altonaer Straße, versperrten Polizeiketten, Wasserwerfer und ein Räumpanzer den
Fluchtweg.
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Im
Gespräch mit junge Welt zeigten sich Opfer des Polizeieinsatzes entsetzt. Ein
englischsprachiger Tourist war fassungslos: »Die Menschen haben einfach nur auf
der Straße gesessen und getrunken, da war nichts!« Ein anderer Mann, der sich
eine Verletzung an der Hand zugezogen hatte, berichtete, dass er mit fünf
Bekannten vor einer Gaststätte gesessen habe, als plötzlich und ohne jeden
Anlass Polizisten die Straße gestürmt hätten. »Das war eine reine Provokation«,
sagte er. Niemand dürfe sich wundern, wenn nach diesem Vorgehen die Lage in der
Nacht endgültig eskaliert sei.
Von André
Scheer, Georg Hoppe und Lina Leistenschneider, Hamburg
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»Die Politik hörte nicht auf die Gipfelgegner«
DKP Hamburg fordert den Rücktritt von
Bürgermeister Scholz und Innensenator Grote. Deren Konzept habe versagt.
Gespräch mit Michael Götze*
Es ist
nun Sonntag mittag, die Woche des Protests gegen den G-20-Gipfel ist fast
vorüber. Ebenso wie Ihre Partei, die DKP, haben Sie sich an verschiedenen
Aktionen beteiligt. Wie bewerten Sie die vergangenen sieben Tage?
Nach
dieser Woche kann man einige Schlussfolgerungen ziehen. Die erste ist
sicherlich die, dass ein solcher Gipfel nicht in einer Großstadt wie Hamburg
abgehalten werden sollte. Das haben die Gegner des Treffens im Vorfeld immer
wieder erklärt, doch die herrschende Politik wollte nicht auf sie hören.
Außerdem
ist zu sagen muss man sagen, dass der Hamburger Innensenator Andy Grote versagt
hat. Er muss zurücktreten. Das selbe gilt auch für den Bürgermeister Olaf
Scholz. Seine Bemerkungen im Vorfeld des Gipfels, dass die Bürger durch ihn
nicht beeinträchtigt würden, haben sich als unverantwortlich herausgestellt.
Doch politisch sind nicht nur Grote und Scholz zuständig, sondern auch die
Bundeskanzlerin Angela Merkel.
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In der
Berichterstattung der meisten Medien in den vergangenen Tagen tauchen die
Gründe für den Protest kaum auf. Die wichtigsten aus Ihrer Sicht?
In
Hamburg waren unter anderem die Regierungschefs der USA und der Türkei zugegen,
die für eine verbrecherische Politik stehen, teils im eigenen Land, teils in
fremden Ländern. Schon der Besuch von Angela Merkel wäre Grund genug gewesen,
auf die Straße zu gehen. Ihre Regierung hat die Verarmung der Menschen in Südeuropa
zu verantworten.
Als
Institution inszeniert sich die Gruppe der 20 zudem als Weltregierung – und
steht damit im Gegensatz zu den Vereinten Nationen. Wie selbstverständlich
gehen die G- 20-Länder davon aus, dass die von ihnen beschlossene Politik auch
für jene Staaten gilt, die nicht zu ihrem Kreis zählen. Zudem ist dieses Format
geschaffen worden, um die Mechanismen des Imperialismus zu stabilisieren.
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Der
Widerwille gegen das Treffen drückte sich verschieden aus. Was hat Sie
besonders beeindruckt?
Eine
tolle Aktionsform war das »Cornern« am Dienstag abend: Viele haben sich einfach
auf der Straße getroffen und mit Freunden gefeiert. Die Stimmung war friedlich,
gleichzeitig war das Ganze eindeutig gegen den Gipfel gerichtet. Beeindruckt
hat mich auch die Demonstration am Samstag. Trotz aller Widrigkeiten nahmen an
ihr die unterschiedlichsten Menschen teil. Dort waren kurdische und türkische
Organisationen zugegen; Leute, die sich wegen des Klimawandels sorgen;
Kommunisten waren genauso dabei wie andere, die die Weltwirtschaftsordnung in
Frage stellen.
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Mehr
Aufmerksamkeit wurde dennoch einem anderen Protest zuteil: In der Nacht von
Freitag auf Samstag kam es im Hamburger Schanzenviertel zu Ausschreitungen.
Will man
über Gewalt sprechen, muss man früher ansetzen. Es gab keinerlei Toleranz der
Behörden gegenüber Protest, auch nicht gegenüber friedlichem. Die Polizei
verhinderte zunächst den Aufbau eines Camps, durchsuchte die Wohnungen von
Aktivisten. Auch mit dem von mir erwähnten »Cornern« fand sie keinen adäquaten
Umgang. Am Donnerstag abend ging sie dann brutal gegen die »Welcome to
Hell«-Demonstration vor, genauso gewalttätig richtete sie sich gegen
Blockadeversuche am Freitag vormittag.
Aber
natürlich gingen vor allem die Bilder von den Ausschreitungen durch die Presse.
Doch da tauchen Ungereimtheiten auf. Die Sicherheitsbehörden sprachen stets von
8.000 gewaltbereiten Autonomen; alle Medien berichteten aber von nur 1.500
Gewaltbereiten im Schanzenviertel. Wieso konnte die Polizei damit nicht
umgehen, obwohl sie sich offenbar auf die vierfache Zahl eingestellt hatte?
Personen,
die hier in Hamburg für eine autonome Politik stehen, haben erklärt, dass sie
mit den Auseinandersetzungen nichts zu tun haben. Sie lehnen sie als völlig
destruktiv ab.
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Trotzdem
wird wegen dieser Szenen nun auch in der bürgerlichen Presse diskutiert, ob es
ein Fehler war, das Treffen in Hamburg stattfinden zu lassen. Was wäre, wenn
die Gipfeltage friedlich verlaufen wären?
Dann
würde vielleicht nicht wegen der Gewalt darüber gesprochen, ob ein solcher
Gipfel in der Stadt unsinnig ist. Aber man könnte dann diskutieren, ob das
Treffen überhaupt politisch sinnvoll ist. Dann ließe sich auch thematisieren,
dass die Mehrheit der Hamburger gegen die Konferenz war. Es wäre einfacher
darüber zu reden, wofür ein solches Treffen wirklich steht. Diese politischen
Diskussionen würde ich lieber führen als die um die Randale.
*Michael Götze ist Vorsitzender der Deutschen
Kommunistischen Partei (DKP) in Hamburg
Interview:
Johannes Supe
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Wessen Gewalt?
Nach dem G-20-Gipfel
Erwartungsgemäß
tendiert der politische Ertrag des G- 20-Gipfels vom Wochenende gegen Null. Die
ökonomisch abgehängten und in Unterentwicklung gehaltenen Staaten hatten von
der kostspieligen Zusammenkunft wie üblich ohnehin wenig zu erhoffen – doch
auch für den erlesenen Kreis der Teilnehmer, die Repräsentanten der weltweit
»wichtigsten Industrie- und Schwellenländer«, fiel die Bilanz ausgesprochen
dürftig aus. Vage Absichtsbekundungen in Sachen Freihandel, nichts als warme
Worte zum Flüchtlingsthema, handfeste Rückschritte beim Klimaschutz,
zwischendurch das unvermeidliche Familienfoto fürs Protokoll. Außer Spesen
nichts gewesen?
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Während
man in den Sitzungssälen folgenlos über den Weltfrieden parlierte, probte eine
riesige Polizeistreitmacht auf den Straßen der Hansestadt den Ausnahmezustand.
Die Eskalation war von Anfang an gewollt, offene Rechtsbrüche waren
einkalkuliert. Großflächige Demoverbotszonen, schikanöse Kontrollen und
Razzien, öffentliche Diffamierung unliebsamer Personen durch den
Verfassungsschutz, Zerstörung von Campinfrastruktur und Durchsetzung eines
juristisch unhaltbaren Schlafverbots: Schon bevor es am Donnerstag zum
frontalen Angriff auf eine zu diesem Zeitpunkt friedliche Kundgebung am Hafen
kam, hatte sich die Polizei ganz auf Krawall gebürstet gezeigt. Was immer
danach geschah, festzuhalten bleibt: Alle Gewalt ging zunächst vom Staate aus.
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Und
später? Verstörend die Bilder eines zielstrebig agierenden Mobs, der am Freitag
unbehelligt von Einsatzkräften durch Wohnviertel zog und private Pkw in Brand
setzte. Ebenso die »sinnbefreite Gewalt« im Schanzenviertel, die der Sprecher
der Roten Flora beklagte, und die kaum dazu angetan war, Sympathien der Anwohner
zu wecken. Auch hier hielt sich die Staatsmacht, die doch mit bis zu 20.000
Beamten und dem »gesamten deutschen Polizeiequipment« vor Ort war, wie sich
Einsatzleiter Hartmut Dudde im Vorfeld des Gipfels gerühmt hatte,
seltsamerweise dezent zurück. Am Ende überlagerten die Bilder, die von den für
die »öffentliche Ordnung« Verantwortlichen heraufbeschworen worden waren, um
die Linke als Ganze in Misskredit zu bringen, medial tatsächlich alles andere
Protestgeschehen.
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Offensichtlich
bestand das staatliche Kalkül darin, den Widerstand zu spalten. Es ist nicht
aufgegangen. Am Samstag machten fast 80.000 Menschen die zentrale Demo gegen
das Gipfeltreffen zu einer eindrucksvollen Manifestation gegen die herrschende
Weltordnung. Vertreter von SPD und Grünen, die die Stadt in ein Heerlager
verwandelt hatten, waren dort nicht zu sehen. Der Hamburger Aufstand vom
Wochenende zeigte eindrucksvoll: Die Zahl derjenigen, die sich der Gewalt eines
menschenfeindlichen Gesellschaftssystems entgegenzustellen bereit sind, wächst
– allen Rechtstendenzen zum Trotz. Die nun von Union und SPD neuerlich
geforderten Zwangsmaßnahmen und die unausbleibliche Rede vom »Linksfaschismus«
zeigen: Die Botschaft hat ihre Empfänger erreicht.
Von
Stefan Huth
aus „junge Welt“ vom 10.07.2017
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