Montag, 10. Juli 2017

Machtvoll gegen Mächtige

Foto: junge Welt
76.000 bei Demo gegen G-20-Gipfel. Empörung über Gewalt der Polizei

»Sie kutschieren Diktatoren, aber unsere Busse bleiben stehen«, so beschrieb eine Demorednerin der Föderation der demokratischen Arbeitervereine aus der Türkei (DIDF) die Lage während des G-20-Gipfels der »wichtigsten Industrie- und Schwellenländer« in Hamburg. 

Einen gemeinsamen Nenner hatten wohl alle Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen, die am Samstag gegen das Spitzentreffen in der Hansestadt auf die Straße gingen: Mensch und Umwelt vor Profit. 

76.000 Teilnehmer zählte das Veranstalterbündnis der Großdemonstration unter dem Motto »Grenzenlose Solidarität statt G 20« – laut Hamburger Morgenpost könnten es auch 100.000 gewesen sein. Selbst die Polizei sprach von mehr als 50.000 Menschen, die von den Deichtorhallen zum Millerntor gezogen seien.

Mit einem kurdisch-internationalistischen Block an der Spitze war die lange, bunte Demonstration um die Mittagszeit gestartet. Es folgten Fans des FC St. Pauli, Klimaschützer, ein Block von gewerkschaftlichen und linken Jugendverbänden, kommunistische Parteien, Die Linke und zahlreiche Menschen mit handgemalten Transparenten, darunter »Oma und Opa gegen G 20«.

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Die Ereignisse der Nacht zuvor im Schanzenviertel hatten die Mobilisierung offenbar nicht bremsen können. Bei Ausschreitungen waren dort sowohl Polizisten als auch mutmaßliche Randalierer und eindeutig Unbeteiligte verletzt worden. Manche Demoteilnehmer forderten daher am Samstag auf Schildern »friedlichen Protest«. Einer kommentierte die Krawalle und das Echo der Politik auf Pappe: »Wenn ihr euch über die Schanze empört, sagt nicht, Afghanistan sei sicher.« Einen Abschiebestopp für Geflüchtete aus dem Land verlangte auch die afghanische Frauenrechtlerin Malalai Joya auf der Bühne der Auftaktkundgebung: Das Morden gehe seit der NATO-Intervention weiter, betonte sie. Neben Joya bekam die 92jährige Musikerin und Holocaustüberlebende Esther Bejarano besonderen Applaus. Sie grüße alle, die »dem Unrecht und der Unvernunft des Kapitalismus nicht tatenlos zuschauen«, sagte Bejarano. »Ich glaube an euch!«

Mehrere Redner gingen auf die Blockadehaltung der USA in Sachen Klimaschutz ein. Die Folgen des Freihandels, zu dem sich die Gipfelteilnehmer bekannten, wurden als ruinös für die Wirtschaft ärmerer Länder beschrieben.

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Die Protestbewegung habe sich nicht spalten lassen, betonte eine Mitorganisatorin auf der Abschlusskundgebung. Der Klimaschutzblock hatte sich solidarisiert, als die Polizei mit Greiftrupps auf hinter ihm laufende türkische Kommunisten losgegangen war; die gesamte Demonstration war stehengeblieben, um ein Ende der Polizeiübergriffe zu erzwingen.

Die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft forderte am Sonntag einen Untersuchungsausschuss zu allen relevanten Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung des G-20-Treffens – von der Entscheidung, den Gipfel mitten in der Großstadt abzuhalten, über das Einsatzkonzept der Polizei und damit verbundenen Grundrechts­eingriffen »bis hin zu den unfassbaren Gewalttaten«, erklärten die Fraktionsvorsitzenden Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus.

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Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wies laut Nachrichtenagentur dpa am Sonntag jede Kritik an der Polizei zurück: »Die haben alles richtig gemacht und einen heldenhaften Einsatz zustande gebracht.«

Von Claudia Wangerin




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Provozierte Eskalation

Im Hamburger Schanzenviertel organisierte sich die Polizei Bilder, die sie sonst nicht bekommen hätte

Es waren Bilder wie aus einem Bürgerkrieg: Schwerbewaffnete Angehörige paramilitärischer Sondereinheiten beteiligten sich mit Schnellfeuergewehren an der Erstürmung eines Stadtviertels. Tausende Menschen wurden von der Außenwelt abgeschnitten, weil Straßen gesperrt und Bahnverbindungen eingestellt waren. Räumpanzer und Wasserwerfer sowie Tausende für den Straßenkampf ausgerüstete Polizisten bezogen Stellung. Das Schanzenviertel wurde am Wochenende zum Schauplatz einer Machtdemonstration des Polizeistaates.

Zwei Nächte in Folge stürmten die Einsatzkräfte Straßen und Häuser in dem für sein alternatives und multikulturelles Ambiente bekannten und beliebten Stadtteil. Auslöser dafür war nach Darstellung der Polizei vom Freitag, dass »Störer« – in den Medien wurde das gleichgesetzt mit »militanten Autonomen« – in dem Viertel randaliert und Drogeriemärkte geplündert hätten. Die Rede war davon, dass auf den Dächern Molotowcocktails und Gehwegplatten deponiert worden sein sollen, um sie auf Polizisten zu werfen – vorgeführt wurden diese von der Polizei jedoch bislang nicht. »Ich bin fassungslos, dass linksradikale Straftäter offenkundig keine Hemmung haben, sehenden Auges das Leben von Polizeibeamten zu gefährden«, wetterte trotzdem der CSU-Innenexperte Stephan Mayer. Bild schlagzeilte am Sonnabend: »Keiner stoppt den linken Hass!«

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Es war nicht auszuschließen, dass nach den tagelangen Übergriffen der Polizei auf die friedlichen Protestdemonstrationen gegen den G-20-Gipfel einige Leute die Nerven verlieren, um in ihrer Wut zu nützlichen Idioten der Staatsmacht zu werden. Auf die teilweise offen rechtswidrigen Polizeieinsätze gegen die Camps und gegen spontane Kundgebungen hatten die Aktivisten durchgehend besonnen reagiert und damit das Konzept der Sicherheitskräfte durchkreuzt. Selbst die autonome Demonstration »Welcome to Hell« am Donnerstag lieferte den Boulevardmedien nicht die gewünschten Bilder – dafür aber Kommentare in Medien wie Deutschlandfunk und NDR, dass die Polizei die Gewalt provoziert habe. Die Scharfmacher brauchten jedoch die Eskalation.

Ohnehin lassen Augenzeugenberichte das, was am Freitag und Sonnabend im Schanzenviertel und der Umgebung geschah, in einem anderen Licht erscheinen als die Auskünfte von Polizei und Senat.

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Am Neuen Pferdemarkt und im »Arrivati-Park« unweit des U-Bahnhofs Feldstraße hatten sich am Freitag abend etwa 1.000 Gegner des G-20-Gipfels versammelt. Obwohl von ihnen keine Gewalt ausging, wurden sie von der Polizei mit Wasserwerfern und Pfefferspray attackiert. Viele Demonstranten zogen sich daraufhin in das Schanzenviertel zurück, vereinzelt flogen Flaschen und Böller. Während die Scharmützel auf dem Platz weitergingen, ließ sich im Schanzenviertel über Stunden keine Polizei blicken. Sogar als auf der Straße Schulterblatt an drei Stellen Feuer entzündet wurden, reagierte weder die Feuerwehr noch die Polizei. Ebenfalls frei war der Weg zu den Messehallen, dem Austragungsort des G-20-Gipfels – trotzdem nutzte niemand diese »Chance«. Unter den mehreren tausend Menschen, die sich im Viertel auf den Straßen aufhielten, waren linke Aktivisten kaum zu sehen. Statt dessen allerdings Personen, die von Anwohnern als Fußballhooligans beschrieben wurden. In der Sternstraße wurde der Hitlergruß gezeigt, in der Bartelsstraße wurde ein Geschäft mit Antifa-T-Shirts im Schaufenster offenbar gezielt attackiert. Nach »Linken« klingt das nicht.

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Kurz vor Mitternacht stürmte die Polizei das Schanzenviertel. Wasserwerfer, Räumfahrzeuge und Polizeiketten drangen in das Viertel vor. Beteiligt waren auch Angehörige von Sondereinsatzkommandos mit Schnellfeuergewehren. Es flogen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper. Ein Polizei­helikopter richtete seinen Scheinwerfer auf die Szenerie. Tränengas lag in der Luft.

In der Roten Flora wurden in der Nacht Verletzte versorgt. Spiegel online zitierte den Sprecher des Veranstaltungszentrums, Andreas Blechschmidt, mit der Aussage, die »sinnbefreite Gewalt« sei Selbstzweck und falsch.

Der Tag danach begann zunächst ruhig. Zehntausende Menschen beteiligten sich an der Großdemonstra­tion gegen den G-20-Gipfel von den Deichtorhallen zum Millerntor. Trotz wiederholter Polizeiübergriffe blieb der Zug geschlossen und mündete in ein fröhliches Volksfest.

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Zugleich wiederholte sich jedoch das Muster vom Vortag. Gegen 19 Uhr hatte eine Beweis- und Festnahme­einheit der Polizei die Eingänge des Flora-Parks am Schulterblatt abgesperrt und durchkämmt. Es wurden mehrere Menschen kontrolliert, von einigen wurden die Personalien aufgenommen. Herumliegende Rucksäcke wurden durchsucht. Offenbar wurden zwei Menschen festgenommen. Zwei Stunden später hatte sich die Lage jedoch wieder beruhigt. Tausende Menschen, vor allem Touristen und Partygänger, bevölkerten das Schulterblatt und die Seitenstraßen des Schanzenviertels. Es herrschte eine merkwürdig angespannte, sich zugleich jedoch nach einem typischen Wochenendvergnügen anfühlende Atmosphäre. Zu sehen waren weder Polizei noch »Autonome«.

Am Neuen Pferdemarkt ging die Polizei am späteren Abend dann wieder mit Wasserwerfern gegen dort vollkommen gewaltfrei versammelte Menschen vor. Selbst die Hamburger Morgenpost empörte sich über das Vorgehen der Polizei gegen friedlich auf der Straße sitzende Jugendliche. Viele wurden in die Straße Schulterblatt getrieben und saßen damit in der Falle. Denn auf der entgegensetzten Seite, an der Altonaer Straße, versperrten Polizeiketten, Wasserwerfer und ein Räumpanzer den Fluchtweg.

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Im Gespräch mit junge Welt zeigten sich Opfer des Polizeieinsatzes entsetzt. Ein englischsprachiger Tourist war fassungslos: »Die Menschen haben einfach nur auf der Straße gesessen und getrunken, da war nichts!« Ein anderer Mann, der sich eine Verletzung an der Hand zugezogen hatte, berichtete, dass er mit fünf Bekannten vor einer Gaststätte gesessen habe, als plötzlich und ohne jeden Anlass Polizisten die Straße gestürmt hätten. »Das war eine reine Provokation«, sagte er. Niemand dürfe sich wundern, wenn nach diesem Vorgehen die Lage in der Nacht endgültig eskaliert sei.

Von André Scheer, Georg Hoppe und Lina Leistenschneider, Hamburg



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»Die Politik hörte nicht auf die Gipfelgegner«

DKP Hamburg fordert den Rücktritt von Bürgermeister Scholz und Innensenator Grote. Deren Konzept habe versagt. Gespräch mit Michael Götze*

Es ist nun Sonntag mittag, die Woche des Protests gegen den G-20-Gipfel ist fast vorüber. Ebenso wie Ihre Partei, die DKP, haben Sie sich an verschiedenen Aktionen beteiligt. Wie bewerten Sie die vergangenen sieben Tage?

Nach dieser Woche kann man einige Schlussfolgerungen ziehen. Die erste ist sicherlich die, dass ein solcher Gipfel nicht in einer Großstadt wie Hamburg abgehalten werden sollte. Das haben die Gegner des Treffens im Vorfeld immer wieder erklärt, doch die herrschende Politik wollte nicht auf sie hören.

Außerdem ist zu sagen muss man sagen, dass der Hamburger Innensenator Andy Grote versagt hat. Er muss zurücktreten. Das selbe gilt auch für den Bürgermeister Olaf Scholz. Seine Bemerkungen im Vorfeld des Gipfels, dass die Bürger durch ihn nicht beeinträchtigt würden, haben sich als unverantwortlich herausgestellt. Doch politisch sind nicht nur Grote und Scholz zuständig, sondern auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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In der Berichterstattung der meisten Medien in den vergangenen Tagen tauchen die Gründe für den Protest kaum auf. Die wichtigsten aus Ihrer Sicht?

In Hamburg waren unter anderem die Regierungschefs der USA und der Türkei zugegen, die für eine verbrecherische Politik stehen, teils im eigenen Land, teils in fremden Ländern. Schon der Besuch von Angela Merkel wäre Grund genug gewesen, auf die Straße zu gehen. Ihre Regierung hat die Verarmung der Menschen in Süd­europa zu verantworten.

Als Institution inszeniert sich die Gruppe der 20 zudem als Weltregierung – und steht damit im Gegensatz zu den Vereinten Nationen. Wie selbstverständlich gehen die G- 20-Länder davon aus, dass die von ihnen beschlossene Politik auch für jene Staaten gilt, die nicht zu ihrem Kreis zählen. Zudem ist dieses Format geschaffen worden, um die Mechanismen des Imperialismus zu stabilisieren.

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Der Widerwille gegen das Treffen drückte sich verschieden aus. Was hat Sie besonders beeindruckt?

Eine tolle Aktionsform war das »Cornern« am Dienstag abend: Viele haben sich einfach auf der Straße getroffen und mit Freunden gefeiert. Die Stimmung war friedlich, gleichzeitig war das Ganze eindeutig gegen den Gipfel gerichtet. Beeindruckt hat mich auch die Demonstration am Samstag. Trotz aller Widrigkeiten nahmen an ihr die unterschiedlichsten Menschen teil. Dort waren kurdische und türkische Organisationen zugegen; Leute, die sich wegen des Klimawandels sorgen; Kommunisten waren genauso dabei wie andere, die die Weltwirtschaftsordnung in Frage stellen.

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Mehr Aufmerksamkeit wurde dennoch einem anderen Protest zuteil: In der Nacht von Freitag auf Samstag kam es im Hamburger Schanzenviertel zu Ausschreitungen.

Will man über Gewalt sprechen, muss man früher ansetzen. Es gab keinerlei Toleranz der Behörden gegenüber Protest, auch nicht gegenüber friedlichem. Die Polizei verhinderte zunächst den Aufbau eines Camps, durchsuchte die Wohnungen von Aktivisten. Auch mit dem von mir erwähnten »Cornern« fand sie keinen adäquaten Umgang. Am Donnerstag abend ging sie dann brutal gegen die »Welcome to Hell«-Demonstration vor, genauso gewalttätig richtete sie sich gegen Blockadeversuche am Freitag vormittag.

Aber natürlich gingen vor allem die Bilder von den Ausschreitungen durch die Presse. Doch da tauchen Ungereimtheiten auf. Die Sicherheitsbehörden sprachen stets von 8.000 gewaltbereiten Autonomen; alle Medien berichteten aber von nur 1.500 Gewaltbereiten im Schanzenviertel. Wieso konnte die Polizei damit nicht umgehen, obwohl sie sich offenbar auf die vierfache Zahl eingestellt hatte?

Personen, die hier in Hamburg für eine autonome Politik stehen, haben erklärt, dass sie mit den Auseinandersetzungen nichts zu tun haben. Sie lehnen sie als völlig destruktiv ab.

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Trotzdem wird wegen dieser Szenen nun auch in der bürgerlichen Presse diskutiert, ob es ein Fehler war, das Treffen in Hamburg stattfinden zu lassen. Was wäre, wenn die Gipfeltage friedlich verlaufen wären?

Dann würde vielleicht nicht wegen der Gewalt darüber gesprochen, ob ein solcher Gipfel in der Stadt unsinnig ist. Aber man könnte dann diskutieren, ob das Treffen überhaupt politisch sinnvoll ist. Dann ließe sich auch thematisieren, dass die Mehrheit der Hamburger gegen die Konferenz war. Es wäre einfacher darüber zu reden, wofür ein solches Treffen wirklich steht. Diese politischen Diskussionen würde ich lieber führen als die um die Randale.

*Michael Götze ist Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) in Hamburg

Interview: Johannes Supe



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Wessen Gewalt?

Nach dem G-20-Gipfel

Erwartungsgemäß tendiert der politische Ertrag des G- 20-Gipfels vom Wochenende gegen Null. Die ökonomisch abgehängten und in Unterentwicklung gehaltenen Staaten hatten von der kostspieligen Zusammenkunft wie üblich ohnehin wenig zu erhoffen – doch auch für den erlesenen Kreis der Teilnehmer, die Repräsentanten der weltweit »wichtigsten Industrie- und Schwellenländer«, fiel die Bilanz ausgesprochen dürftig aus. Vage Absichtsbekundungen in Sachen Freihandel, nichts als warme Worte zum Flüchtlingsthema, handfeste Rückschritte beim Klimaschutz, zwischendurch das unvermeidliche Familienfoto fürs Protokoll. Außer Spesen nichts gewesen?

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Während man in den Sitzungssälen folgenlos über den Weltfrieden parlierte, probte eine riesige Polizeistreitmacht auf den Straßen der Hansestadt den Ausnahmezustand. Die Eskalation war von Anfang an gewollt, offene Rechtsbrüche waren einkalkuliert. Großflächige Demoverbotszonen, schikanöse Kontrollen und Razzien, öffentliche Diffamierung unliebsamer Personen durch den Verfassungsschutz, Zerstörung von Campinfrastruktur und Durchsetzung eines juristisch unhaltbaren Schlafverbots: Schon bevor es am Donnerstag zum frontalen Angriff auf eine zu diesem Zeitpunkt friedliche Kundgebung am Hafen kam, hatte sich die Polizei ganz auf Krawall gebürstet gezeigt. Was immer danach geschah, festzuhalten bleibt: Alle Gewalt ging zunächst vom Staate aus.

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Und später? Verstörend die Bilder eines zielstrebig agierenden Mobs, der am Freitag unbehelligt von Einsatzkräften durch Wohnviertel zog und private Pkw in Brand setzte. Ebenso die »sinnbefreite Gewalt« im Schanzenviertel, die der Sprecher der Roten Flora beklagte, und die kaum dazu angetan war, Sympathien der Anwohner zu wecken. Auch hier hielt sich die Staatsmacht, die doch mit bis zu 20.000 Beamten und dem »gesamten deutschen Polizeiequipment« vor Ort war, wie sich Einsatzleiter Hartmut Dudde im Vorfeld des Gipfels gerühmt hatte, seltsamerweise dezent zurück. Am Ende überlagerten die Bilder, die von den für die »öffentliche Ordnung« Verantwortlichen heraufbeschworen worden waren, um die Linke als Ganze in Misskredit zu bringen, medial tatsächlich alles andere Protestgeschehen.

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Offensichtlich bestand das staatliche Kalkül darin, den Widerstand zu spalten. Es ist nicht aufgegangen. Am Samstag machten fast 80.000 Menschen die zentrale Demo gegen das Gipfeltreffen zu einer eindrucksvollen Manifestation gegen die herrschende Weltordnung. Vertreter von SPD und Grünen, die die Stadt in ein Heerlager verwandelt hatten, waren dort nicht zu sehen. Der Hamburger Aufstand vom Wochenende zeigte eindrucksvoll: Die Zahl derjenigen, die sich der Gewalt eines menschenfeindlichen Gesellschaftssystems entgegenzustellen bereit sind, wächst – allen Rechtstendenzen zum Trotz. Die nun von Union und SPD neuerlich geforderten Zwangsmaßnahmen und die unausbleibliche Rede vom »Linksfaschismus« zeigen: Die Botschaft hat ihre Empfänger erreicht.

Von Stefan Huth
aus „junge Welt“ vom 10.07.2017




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