Die DDR
hat’s nie gegeben“ stand als Graffiti auf den Resten des Fundaments des
abgerissenen Palastes der Republik. Tatsächlich könnte man gerade an diesem Ort
meinen, die DDR und ihre Hinterlassenschaften sollten restlos aus dem Stadtbild
und dem kollektiven Gedächtnis getilgt werden. Denn hier erhebt sich nun wieder
Preußens Glanz und Gloria in Form des Wiederaufbaus des Stadtschlosses der
Hohenzollern. So will man es haben, das wiedervereinigte Deutschland, 25 Jahre
nach Einverleibung der DDR: bereinigt vom sozialistischen „Ausrutscher“, wieder
stolz in alte Traditionen sich stellend, geschlossen nach Innen und
„verantwortungsbewusst“ nach Außen. Ein Land, das zynisch genug ist, angesichts
seiner Flüchtlingspolitik die Feierlichkeiten zum 3. Oktober unter das Motto
„Grenzen überwinden“ zu stellen.
Und doch ist das Austilgen nur die eine Seite des Umgangs der Herrschenden mit der DDR. Denn wer gerade in diesen Tagen Fernsehen oder Radio einschaltet oder die Zeitung liest, der kommt an der DDR nicht vorbei, an einen Staat, den es nicht mehr gibt.
Und doch ist das Austilgen nur die eine Seite des Umgangs der Herrschenden mit der DDR. Denn wer gerade in diesen Tagen Fernsehen oder Radio einschaltet oder die Zeitung liest, der kommt an der DDR nicht vorbei, an einen Staat, den es nicht mehr gibt.
Wozu aber die Mühe? Es scheint, als stecke eben doch noch mehr Leben in
der DDR, als es die Mächtigen hierzulande gerne hätten. Also wird zugleich
dämonisiert, was das Zeug hält: ein graues Land, ein großes Freiluftgefängnis,
ein Spitzelstaat mit allgegenwärtiger Stasi, die zweite deutsche Diktatur, ein
ewiger Pleitegeier mit einer funktionsunfähigen Mangelwirtschaft, ein Staat
voller Spießer, regiert von Parteibonzen. Die Liste der Verleumdungen ließe
sich fortsetzen.
Auch wenn
sie manchmal sogar wissenschaftlich verbrämt daherkommen, mit einer ernsthaften
Auseinandersetzung mit der DDR, ihrem Gesellschaftssystem und der Lebensrealität
ihrer Bürgerinnen und Bürger haben sie nichts zu tun. Es geht um die postume
Diskreditierung des ehemaligen Systemgegners, auf dessen Ableben der Westen mit
allen Mitteln hingearbeitet hat. Und es geht um die Verordnung dieser
Sichtweise.
Gerade in
den Schulen wird dieses Zerrbild mit viel Aufwand vermittelt. Aber immer wieder
wird öffentlich darüber geklagt, dass Jugendliche zu wenig über die DDR wissen.
Allen voran jammern der Forschungsverbund SED-Staat (FU Berlin) und der Leiter
der „Stasi-Gedenkstätte“ in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, darüber,
dass viele junge Menschen ein „zu positives“ Bild von der DDR haben. Dagegen
wird einiges aufgeboten: Veröffentlichungen, Ausstellungen, Fernsehserien wie
„Weißensee“, Filme usw. Einzelschicksale werden immer wieder medial aufbereitet
und zum Lehrmaterial für den Schulunterricht. Das wirkt bei manchen, andere
sind gleichgültig, wieder andere werden aufmerksam und fragen nach.
„Über die
DDR haben wir in der Schule eigentlich nur gehört: Mangelwirtschaft, Mauer,
Stasi. Mehr kam da nicht“, erinnert sich Andrea an ihren Geschichtsunterricht.
Katha, die jetzt in Leipzig lebt, erzählt vom Besuch in Hohenschönhausen: „In
der Oberstufe haben sie uns auf der Klassenfahrt gesagt: Das DDR-Museum in Berlin
(siehe Bild – die Red.) besuchen wir nicht, weil es zu unwissenschaftlich ist.
Allerdings waren wir in der Unterstufe schon da. Also für Kinder ist es ok, in
ein völlig einseitiges und plattes Museum zu gehen?“ Der Erfolg des Besuchs:
„Ich weiß noch, das Gefühl, das ich da bekommen habe, war ganz klar: Die DDR,
das war der zweite Faschismus.“ Zweiter Faschismus wird die DDR bislang zwar
noch nicht genannt, wohl aber „zweite deutsche Diktatur“. Zum Beispiel in der
Selbstbeschreibung der Gedenkstätte Hohenschönhausen, einer ehemaligen
Haftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit, also der „Stasi“: „In dem
ehemaligen Gefängnis können sich junge Leute auf anschauliche Weise mit der
SED-Diktatur auseinandersetzen.“ Hohenschönhausen ist für die Geschichtsschreibung
und -vermittlung in der Bundesrepublik das Symbol für die DDR: ein großes
Gefängnis. Die Gedenkstätte wird von etwa 150 000 SchülerInnen im Jahr besucht.
Katha:
„Alles war total emotional aufbereitet. Normalerweise soll man auch von
ehemaligen Häftlingen durch die Gedenkstätte geführt werden, bei uns war es
aber eine ganz junge Frau, die selbst gar nicht in der DDR gelebt hat. In einer
Zelle sollten wir uns dann mal für eine Zeit lang ganz aufrecht hinstellen, um
nachzufühlen, wie das für die Häftlinge gewesen ist, die das dort stundenlang
machen mussten.“ Den Stasi-Knast mit allen Sinnen erleben. „Es gibt da im
Keller solche Zellen, die angeblich mal für Wasserfolter benutzt wurden, dazu
hat die Führerin gesagt: ‚Eigentlich haben wir das hier nur nachgestellt, aber
wir sind ziemlich sicher, dass es so gewesen ist‘, das ist schon vielen in der
Klasse komisch vorgekommen.“ Forscht man weiter, stößt man darauf, dass die
Zellen erst in den Neunzigerjahren beim Aufbau der Gedenkstätte in den Keller
eingebaut wurden, ein Beleg dafür, dass es sie gegeben habe, wird nicht
erbracht … (zitiert nach: „Ein anderes Deutschland war möglich“, Hrsg. SDAJ).
Wissenschaftlichkeit steht weder in Hohenschönhausen noch beim
Forschungsverbund SED-Staat im Vordergrund. Und die Wahrheit wird man dort
nicht erfahren.
Die zu
verbreiten und das Andenken an den ersten sozialistischen Staat auf deutschem
Boden wachzuhalten, dafür müssen auch wir sorgen.
Gegen die verordnete Sichtweise!
Mauer,
Stasi, alles grau – so sollen wir die DDR sehen. Zum 25.
Jahrestag
des „Mauerfalls“ am morgigen 3. Oktober und am 9. November werden wir wieder einmal erklärt bekommen, dass
die DDR ein Unrechtsstaat war, dass Freiheit und Sozialismus einander
ausschließen, dass es keine Alternative zu parlamentarischer Scheindemokratie
und angeblich sozialer Marktwirtschaft gibt.
Mit der
Broschüre „Ein anderes Deutschland war möglich. Wir, die DDR und eine Zukunft
ohne Kapitalismus“ stellt die SDAJ ihre Sicht auf die DDR dar. In vier
Abschnitten fragt die Broschüre: Was ist an der herrschenden Meinung dran,
welche Interessen stehen dahinter?
Was
bedeutet der Sozialismus für den einzelnen, wieso war der Weg vom
Arbeiterjugendlichen über eine gute Ausbildung in eine verantwortliche Position
so typisch für den anderen deutschen Staat? Wer hat durch das Ende der DDR
etwas gewonnen, wer hat verloren, was waren Gründe für das Scheitern der DDR?
Und: Ist das Ende der DDR auch der Untergang des Sozialismus? Die Broschüre
lässt junge Menschen aus dem Osten und solche, die die DDR mit gestaltet haben,
zu Wort kommen, sie stellt die Entwicklung der DDR in ihren historischen
Zusammenhang und ergänzt dies durch kurze Beiträge zur marxistischen Theorie.
Für die
SDAJ zeigen die Erfahrungen der DDR: Trotz aller Fehler und Schwächen ist der
Sozialismus das Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Wie wir die DDR zu
sehen haben, wollen wir uns nicht von Joachim Gauck und der Bild-Zeitung
vorschreiben lassen.
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